Leitsatz
Erbringt ein gemeinnütziger Verein gegenüber Senioren im Rahmen des "betreuten Wohnens" ein Leistungsbündel, das durch die Leistungen der in § 75 BSHG (Altenhilfe) genannten Art geprägt wird, ist die einheitliche Leistung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-RL steuerfrei, auch wenn der Verein insoweit nur gegenüber dem Vermieter der Seniorenwohnungen verpflichtet ist.
Normenkette
§ 4 Nr. 18 UStG 1993, § 23 UStDV, § 53 AO, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g, Art. 13 Teil A Abs. 2 der 6. EG-RL, § 75 BSHG
Sachverhalt
Der Kläger ist ein eingetragener Verein der freien Wohlfahrtspflege. Er ist einem Verband i.S.d. § 23 UStDV angeschlossen.
Er hat als sog. Betreiber mit einer KG, die im Rahmen eines "Betreuten Wohnens" Wohnungen an Senioren vermietet, einen sog. Betreibervertrag abgeschlossen. Die KG sichert den Senioren neben der Vermietung der Wohnung die Erbringung von sog. Basisleistungen zu.
Zu den Basisleistungen, die nach Anlage 1 des Betreibervertrags mit der KG vom Kläger zu erbringen waren, gehören die Sozial- und Gesundheitsbetreuung der Bewohner durch zeitweise Präsenz einer Fachkraft, die Vermittlung von Mahlzeitendiensten, ambulanten Hilfeleistungen, Wohnungsreinigung, Wäschedienst, Hausmeisterdiensten und eines Pflegeplatzes bei Dauerpflegebedürftigkeit, die Durchführung von Veranstaltungen, die Verwaltung des Gemeinschaftsbereichs und die Vorhaltung der Gemeinschafts- und Funktionsräume.
Das FA nahm hinsichtlich der Basisleistungen einen Leistungsaustausch zwischen dem Kläger und der KG an. Diese Leistungen seien umsatzsteuerpflichtig, da sie nicht im Rahmen eines Zweckbetriebs (§ 65 AO) ausgeführt und nicht dem in der Satzung begünstigten Personenkreis zugute kommen würden.
Das Sächsische FG gab der Klage, die nicht nur den USt-Bescheid für 1997, sondern auch den KSt-Bescheid und den Bescheid über den einheitlichen GewSt-Messbetrag betraf, statt:
Die Umsätze seien nach § 4 Nr. 18 UStG steuerbefreit. Das Abstandsgebot des § 4 Nr. 18 Buchst. c UStG sei erfüllt, da das Entgelt sich nach der Höhe der beim Kläger entstehenden Selbstkosten gerichtet habe (Sächsisches FG, Urteil vom 02.04.2008, 8 K 1798/03, Haufe-Index 2011332, EFG 2008, 1851).
Entscheidung
Die Revision des FA hatte keinen Erfolg.
Der BFH ließ offen, ob die Steuerbefreiung aus § 4 Nr. 18 UStG abgeleitet werden könne, da sie jedenfalls nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-RL zu gewähren sei.
Die Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
1. Soweit das im Besprechungsfall angefochtene Urteil die KSt und den einheitlichen GewSt-Messbetrag betrifft, hat der I. Senat des BFH es aufgehoben und die Klage abgewiesen (BFH, Urteil vom 16.12.2009, I R 49/08, BFH/NV 2010, 1047, BFH/PR 2010, 223).
Er hat die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG versagt, weil die Leistungen des Klägers nicht "unmittelbar und ausschließlich" den in dieser Vorschrift genannten Zwecken gedient hätten. Der vom Kläger unterhaltene wirtschaftliche Geschäftsbetrieb sei kein Betrieb der Wohlfahrtspflege i.S.d. § 66 AO. Denn er habe seine Leistungen nicht gegenüber den in § 53 AO genannten hilfsbedürftigen Personen, sondern gegenüber der KG erbracht, die selbst nicht in den Anwendungsbereich des § 66 AO falle.
Es habe sich auch nicht um einen Zweckbetrieb i.S.d. § 65 AO gehandelt, weil der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb nicht "ausschließlich" auf die selbstlose Unterstützung der hilfsbedürftigen Personen gezielt, sondern auch die Tätigkeit der steuerpflichtigen KG unterstützt habe.
2. Für die USt kommt eine Steuerbefreiung der sog. Basisleistungen, zu denen sich der Kläger gegenüber der KG verpflichtet hatte, nach § 4 Nr. 18 UStG in Betracht. Aber nach § 4 Nr. 18 Buchst. a UStG muss der Unternehmer "ausschließlich und unmittelbar" gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen. Das Vorliegen dieses Merkmals hat der I. Senat des BFH jedoch verneint. Das spricht eher dafür, dass eine Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift ausscheidet.
3. Der BFH hat aber unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH schon mehrfach entschieden, dass ein Steuerpflichtiger, der die Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-RL erfüllt, sich für die Steuerbefreiung seiner Leistungen unmittelbar auf diese Bestimmung berufen kann. Danach befreien die Mitgliedstaaten die "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen".
Der Unternehmer erbringt im Besprechungsfall ein Bündel von Leistungen, das als einheitliche Leistung anzusehen ist.
Diese einheitliche Leistung ist eng mit der Fürsorge und sozialen Sicherheit verbunden. Denn sie ist geprägt durch diejenigen Leistungselemente, die unter die sog. Altenhilfe i.S.d. § 75 BSHG (nunmehr: § 71 SGB XI) fallen. Zu den Maßnahmen der Alt...