Leitsatz
1. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EGRL nicht zutreffend um. Es ist fraglich, ob eine richtlinienkonforme Auslegung dieser Vorschrift möglich ist.
2. Ein Steuerpflichtiger kann sich für die USt-Freiheit seiner Leistungen unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL berufen.
3. Für die Annahme eines "Schul- und Hochschulunterrichts" i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL ist entscheidend, ob vergleichbare Leistungen in Schulen erbracht werden und ob die Leistungen der bloßen Freizeitgestaltung gedient haben.
4. Die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, dass eine Einrichtung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet, ist ein Indiz dafür, dass Leistungen, die tatsächlich dem Anforderungsprofil der Bescheinigung entsprechen, nicht den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung haben.
Normenkette
§ 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der 6. EG-RL, § 175 Abs. 1, § 351 Abs. 1 AO
Sachverhalt
Die Klägerin erteilte Ballettunterricht und begehrte unter Hinweis auf eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG die Steuerbefreiung ihrer Umsätze.
Das FG lehnte dies – wie das FA – ab (FG München, Urteil vom 18.11.2004, 14 K 5057/01, Haufe-Index 1296617, EFG 2005, 740), weil das Ballettstudio keine "allgemeinbildende oder berufsbildende" Einrichtung sei. Nur die bereits vom FA als umsatzsteuerbefreit behandelten 2 % der Umsätze seien steuerbefreit, weil nur so viele Schüler die Aufnahmeprüfung an entsprechenden Hochschulen abgelegt hätten.
Entscheidung
Der BFH verwies die Sache an das FG zurück, das prüfen muss, ob es sich nach den konkreten Umständen, unter denen der Ballettunterricht angeboten wird, eher um Freizeitgestaltung handelte.
Hinweis
1.§ 4 Nr. 21 Buchst. b UStG setzt das Gemeinschaftsrecht nicht zutreffend um. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL befreit u.a. den Schul- oder Hochschulunterricht. Dazu hatte der EuGH, ohne diese Begriffe zu definieren, bereits konkretisiert, sie beschränkten sich nicht auf Unterricht der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern er schließe andere Tätigkeiten mit ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt werde, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben.
Danach ist zu prüfen, ob vergleichbarer Unterricht in Schulen erteilt wird und ob es sich nicht vielmehr um Freizeitgestaltung handelt. Auf die Ziele der Personen, die die Einrichtung besuchen, kommt es für die Steuerbefreiung nicht an. Entscheidend sind vielmehr die Art der erbrachten Leistungen und ihre generelle Eignung als Schul- oder Hochschulunterricht. Bei der Frage, ob vergleichbarer Unterricht an Schulen erteilt wird, wird auch der Kontext, in dem der Unterricht stattfindet, zu berücksichtigen sein.
2. Die Regelung im UStG verlangt eine Bescheinigung mit genau bezeichnetem Inhalt, die aber – genauer betrachtet – keinen stimmigen Bezug zu den Tatbestandsvoraussetzungen für die nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG befreiten Leistungen hat. Die Steuerbefreiung der RL setzt die Anerkennung der Einrichtung voraus. Dazu reicht auch die in § 4 Nr. 21 geforderte Bescheinigung, die – eine ernsthafte Prüfung der anerkennenden Behörde unterstellt – ein bestimmtes Anforderungsprofil bescheinigt, das gegen eine bloße Freizeitbeschäftigung sprechen könnte. Tatsächlich kann es aber anders sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.01.2008, V R 3/05