Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Der aus einer Managementbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft erzielte Veräußerungserlös stellt keine Vergütung für die gegenüber einer Tochtergesellschaft erbrachte nichtselbständige Tätigkeit dar, wenn die Beteiligung als eine eigenständige Erwerbsgrundlage zur Erzielung von Einkünften anzusehen ist.
Normenkette
§ 19, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war in den Streitjahren 2014 und 2015 angestellter Manager bei der B‐GmbH und erzielte aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 19 EStG. Der Kläger erwarb anlässlich eines Programms zur Beteiligung des Managements Aktien einer Tochtergesellschaft. Der Stückpreis von 0,0625 USD wurde auf der Grundlage des nominellen Stammkapitals der Tochtergesellschaft ermittelt, da der Firmenwert laut eines Gutachtens 0 USD betrug. Das Mitarbeiterprogramm sah die Möglichkeit vor, dass durch die Ausübung von "Call"-Optionen die ausgegebenen Anteile zurückerworben werden.
Aufgrund einer im Jahr 2013 getroffenen Vereinbarung mit den Beteiligten des Mitarbeiterprogramms wurden die Anteile veräußert und ein Kaufpreis i.H.v. 1.752,10 USD je Anteil vereinbart. Der Kaufpreis sollte in drei Tranchen zu je einem Drittel in den Jahren 2014 bis 2016 ausbezahlt werden. Dem Kläger wurde jeweils zum 31.3. in beiden Streitjahren ein Betrag i.H.v. 90.056 USD ausgezahlt.
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2014 erklärte der Kläger Gewinne aus der Veräußerung von Aktien, die nicht dem inländischen Steuerabzug unterlagen, i.H.v. 77.012 EUR und im Jahr 2015 i.H.v. 82.974 EUR.
Dagegen gelangte das FA nach einer Steuerfahndung zu der Auffassung, dass es sich bei dem Veräußerungsgewinn aus der Mitarbeiterbeteiligung um Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit handelt. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 9.10.2018, 13 K 1257/17 E, Haufe-Index 13116077, EFG 2019, 970).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Die Frage, ob bei der kapitalmäßigen Beteiligung des Arbeitnehmers an seinem Arbeitgeber Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i.S. d.§ 19 EStG oder Kapitaleinkünfte nach § 20 EStG erzielt werden, ist nach der Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 aufgrund der unterschiedlichen steuerlichen Auswirkungen von besonderer praktischer Relevanz. Wird ein Gewinn erzielt, ist der Abgeltungsteuersatz von 25 % für Kapitaleinkünfte nach § 32d Abs. 1 EStG in der Regel günstiger als der progressive Steuersatz nach § 32a EStG. Wird aus der Mitarbeiterbeteiligung dagegen ein Verlust erzielt, kann aufgrund der Verlustverrechnungsverbote nach § 20 Abs. 6 EStG und des Werbungskostenabzugsverbots nach § 20 Abs. 9 EStG eine Qualifizierung als negative Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i.S.d. § 19 EStG von Vorteil sein, da der Verlust dann in voller Höhe auch mit anderen Einkunftsarten verrechenbar ist.
2. Bei der Frage, ob die Mitarbeiterbeteiligung zu Einkünften aus § 20 EStG oder § 19 EStG führt, kommt es auf die Würdigung der Gesamtumstände durch das FG an. Denn das EStG enthält, insbesondere in § 20 Abs. 8 EStG, keine gesetzlich normierte Abgrenzungsregelung.
3. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen kommt es bei der Abgrenzung darauf an, ob die durch die Mitarbeiterbeteiligung erzielten Einkünfte durch eigenständige, vom Arbeitsverhältnis unabhängige Sonderrechtsbeziehungen veranlasst sind. Der Arbeitnehmer nutzt in diesem Fall sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage zur Einkünfteerzielung. Die daraus erzielten laufenden Erträge sind dann keine Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, sondern aus Kapitalvermögen. Hierfür spricht insbesondere, wenn die Beteiligung vom Arbeitnehmer zum Marktpreis (und nicht etwa verbilligt) erworben und veräußert wird und der Arbeitnehmer das volle Verlustrisiko trägt. Ein weiteres Indiz ist, dass keine besonderen Umstände aus dem Arbeitsverhältnis erkennbar sind, die Einfluss auf die Veräußerbarkeit und Wertentwicklung der Beteiligung nehmen. Dies wäre z.B. bei einer "Bad Exit"-Klausel der Fall, nach der bei einer außerordentlichen Kündigung ein Abschlag auf den Wert der Beteiligung erfolgt. Zu beachten ist, dass nach ständiger Rechtsprechung des BFH der Veräußerungsgewinn aus einer Kapitalbeteiligung nicht allein deshalb als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu besteuern ist, weil nur Arbeitnehmern die Mitarbeiterbeteiligung angeboten wird.
4. Im vorliegenden Fall war die Würdigung der tatsächlichen Umstände durch das FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dieses hat die vom BFH entwickelten Grundsätze zur Abgrenzung der Einkünfte i.S.d. § 19 EStG und § 20 EStG rechtsfehlerfrei angewendet und zutreffend entschieden, dass der Veräußerungsgewinn aus der Managementbeteiligung nach § 20 EStG zu besteuern ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.12.2020 – VIII R 40/18