Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Der geldwerte Vorteil aus dem verbilligten Erwerb einer Beteiligung, der im Hinblick auf eine spätere Beschäftigung als Geschäftsführer gewährt wird, ist als Arbeitslohn zu berücksichtigen.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 17, § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG, § 11 Abs. 2 BewG, § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
Sachverhalt
K, zunächst selbstständig für die X-GmbH tätig, erwarb 2008 von N 50 % des Kapitals der X-GmbH für 73.397 EUR; außerdem wurde K deren Geschäftsführer. Die X-GmbH wollte K langfristig als Mitarbeiter gewinnen und an sich binden. Nach einer Außenprüfung bei der X-GmbH war das FA der Auffassung, dass K die GmbH-Anteile unter ihrem tatsächlichen Wert erworben hatte. Den Unternehmenswert berechnete der Außenprüfer mit 1.098.794 EUR und ermittelte Ks Vorteil mit 476.000 EUR (Wert 50 % = 549.397 EUR abzgl. Anschaffungskosten 73.397 EUR = 476.000 EUR). Das FA ging auf dieser Grundlage von Einkünften i.S.d. § 15 EStG aus und änderte Ks bestandskräftige ESt-Veranlagung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Die Klage des K blieb erfolglos. Das FG nahm Lohneinkünfte i.H.v. 476.000 EUR an (FG Düsseldorf, Urteil vom 8.8.2013, 11 K 3681/12 E, Haufe-Index 6670882, EFG 2014, 845).
Entscheidung
Der BFH folgte der Würdigung des FG, dass Ks verbilligter Anteilserwerb eine neue, dem FA nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO war und dass der Vorteil, den K aus dem Erwerb der GmbH-Anteile erzielt hatte, bei dessen Lohneinkünften zu erfassen ist.
Hinweis
Zu Lohneinkünften können sämtliche Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung zählen, solange sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind; das hatte der Lohnsteuersenat gerade erst zu verbilligten Beteiligungen entschieden (dazu BFH, Urteil vom 7.5.2014, VI R 73/12, BFH/NV 2014, 1291, BFH/PR 2014, 299). Wie in dem dort entschiedenen Fall ging es auch hier um eine Drittzuwendung. Denn der Vorteil stammt nicht von Ks Arbeitgeber, der X-GmbH, sondern von deren bis zur Veräußerung beherrschenden Alleingesellschafter N. Aber auch Zuwendungen von Dritten können Lohn sein; Dritter kann auch der Haupt- oder Alleingesellschafter sein (dazu VI R 73/12, BFH/PR 2014, 299). Solcher "Drittlohn" setzt voraus, dass er sich – bei objektiver Betrachtung – für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt (dazu BFH, Urteil vom 10.4.2014, VI R 62/11, BFH/NV 2014, 1431, BFH/PR 2014, 344). Ob eine Zuwendung derart veranlasst ist, beurteilt das FG als Tatsacheninstanz im Rahmen der Tatsachenwürdigung nach den vorgefundenen objektiven Tatumständen.
K hatte im Verfahren und beim FG vorgebracht, N habe die GmbH-Anteile zugewendet, damit K für die X-GmbH weiter tätig werde. Die darauf gestützte Würdigung des FG, der Unterschied zwischen Kaufpreis und gemeinem Wert der Anteile sei von N als Veräußerer und Mitgesellschafter als Vorabvergütung für zukünftige der GmbH zu leistende Dienste gewährt worden, billigte der BFH; dass weder N noch K – subjektiv – einen Zusammenhang mit der Beschäftigung gesehen haben, war dagegen deren letztlich nicht entscheidende individuelle eigene Einschätzung. Die Bewertung des Vorteils richtet sich nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG, also nach dem um übliche Preisnachlässe geminderten Endpreis; das ist hier der gemeine Wert (§ 11 Abs. 2 BewG, dazu VI R 73/12, BFH/PR 2014, 299). Zur Wertbestimmung nutzbare Vorverkäufe von Anteilen der X-GmbH unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, gab es keine. Der Anteilserwerb i.S.d. § 17 EStG war auch voll entgeltlich. Denn K hat für die streitigen Anteile eine gleichwertige Gegenleistung erbracht, indem er für die Beteiligung nicht nur den Kaufpreis (73.397 EUR), sondern auch Dienste in Höhe des geldwerten Vorteils (476.000 EUR) geleistet (und versteuert) hat. Damit droht K keine Doppelerfassung des Vorteils bei einem späteren möglichen Verkauf seiner Anteile. Denn die jetzt entstandenen Anschaffungskosten seiner Beteiligung gehen im Falle einer späteren Anteilsveräußerung in die Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 EStG ein.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 26.6.2014 – VI R 94/13