Ewald Dötsch, Prof. Dr. Franz Dötsch
Leitsatz
Hat ein Gesellschafter seine im Privatvermögen gehaltene wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft vor der gesetzlichen Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG durch das StÄndG 1992 verdeckt in eine Kapitalgesellschaft eingelegt, an der er ebenfalls wesentlich beteiligt war, waren die Anschaffungskosten dieser Beteiligung um den gemeinen Wert der eingelegten Beteiligung im Einlagezeitpunkt zu erhöhen.
Normenkette
§ 17 Abs. 2 EStG , § 9 Abs. 1 BewG
Sachverhalt
Die Klägerin war wesentlich i.S.v. § 17 EStG an der G-GmbH beteiligt. Außerdem war sie alleinige Gesellschafterin der L-GmbH; auch diese Beteiligung hielt sie in ihrem Privatvermögen. Im Anschluss an die Gründung der L-GmbH trat die Klägerin einen Großteil ihrer Geschäftsanteile an der G-GmbH unentgeltlich an die L-GmbH ab; der Verkehrswert der abgetretenen Anteile betrug rund 88 Mio. DM.
Noch am selben Tag veräußerte die Klägerin ihre Anteile an der L-GmbH für über 88 Mio. DM an die X-AG. Zur Begründung der zeitgleichen Gründung der L-GmbH, der verdeckten Einlage der Beteiligung an der G-GmbH und der anschließenden Veräußerung der Beteiligung an der L-GmbH führte die Klägerin aus, dass die L-GmbH als Zwischenholding konzipiert gewesen sei. Diese Konzeption habe die X-AG auch realisiert und weitere Beteiligungen hinzuerworben.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1989 erklärte die Klägerin einen Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der L-GmbH i.S.v. § 17 EStG von lediglich rund 300 000 DM. Das FA ging demgegenüber von einem Veräußerungsgewinn von rund 87,4 Mio. DM aus. Das FG wies die dagegengerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt.
Entscheidung
Die verdeckte Einlage einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft stehe erst ab dem VZ 1992 einer Veräußerung zum gemeinen Wert gleich (§§ 17 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2, § 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des StÄndG 1992). Für vorausgehende VZ sei die verdeckte Einlage als unentgeltliche Übertragung der Beteiligung in das Betriebsvermögen der anderen Gesellschaft zu beurteilen. Die verdeckte Einlage habe zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung an der L-GmbH in Höhe des gemeinen Werts der eingelegten Geschäftsanteile im Einlagezeitpunkt geführt.
Die Bewertung der verdeckt eingelegten Beteiligung mit dem gemeinen Wert habe zwar zur Folge, dass die in der Beteiligung bis zum Einlagezeitpunkt gebildeten stillen Reserven beim Gesellschafter weder im Einlagezeitpunkt noch später erfasst werden könnten. Sie führe aber insoweit nicht zu einer Besteuerungslücke, als die stillen Reserven auf der Ebene der Gesellschaft zu erfassen seien, bei der die eingelegte Beteiligung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5b EStG mit den Anschaffungskosten des einlegenden Gesellschafters anzusetzen sei.
Dass bei dieser Gestaltung die stillen Reserven auf ein anderes Rechtssubjekt übergingen und ihre Besteuerung bei diesem ggf. nicht in der gleichen Weise sichergestellt sei wie beim einlegenden Gesellschafter, stehe dieser – notwendigerweise typisierenden – Beurteilung nicht entgegen. Es sei Sache des Gesetzgebers, die Gesetzeslücke im Bereich des Veräußerungsbegriffs des § 17 Abs. 1 EStG in der Weise zu schließen, dass die im Privatvermögen des Gesellschafters gebildeten stillen Reserven im Einlagezeitpunkt oder später auch allein bei diesem steuerlich erfasst würden.
Der durch die Rechtsprechung des I. Senats des BFH (Urteil vom 27.7.1988, I R 147/83, BStBl II 1989, 271) für den Bereich des § 17 EStG eröffnete Gestaltungsspielraum mache allerdings im Einzelfall die Prüfung erforderlich, ob die verdeckte Einlage nicht als Teil eines Gesamtplans zur Vermeidung der Besteuerung der stillen Reserven sowohl auf der Ebene des Gesellschafters als auch auf der Ebene der Gesellschaft als Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) zu beurteilen sei. Der Senat gehe davon aus, dass im Streitfall ein solcher Missbrauch nicht vorliege. Der Umstand, dass der Gesellschafter die bei ihm steuerverhafteten stillen Reserven auf die Kapitalgesellschaft übertrage, reiche für eine solche Beurteilung allein nicht aus.
Hinweis
Der folgende Besprechungsfall betrifft die Rechtslage vor 1992, als die verdeckte Einlage einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG noch nicht – wie § 17 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG es ab VZ 1992 anordnen – einer Veräußerung i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gleichgestellt war. Durch diese vor 1992 bestehende Rechtslage konnten die im Privatvermögen angesammelten stillen Reserven einer wesentlichen Beteiligung dadurch – partiell – der Besteuerung entzogen werden, dass der Gesellschafter die Beteiligung verdeckt (unentgeltlich) in eine andere Kapitalgesellschaft einlegte.
Zwar scheint hier auf den ersten Blick für den Fiskus alles in Ordnung zu sein, weil die aufnehmende Kapitalgesellschaft die historischen Anschaffungskosten des einlegenden Gesellschafters nach § 6 Abs. 1 ...