Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
1. Gewährt ein mit 20 % des Stammkapitals an einer GmbH beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer seiner Ehefrau überhöhte Preisnachlässe für in deren Gewerbebetrieb gelieferte Waren, liegt eine vGA bereits im Zeitpunkt der Lieferung der Waren vor. Aus diesem Grund von der GmbH gegen ihren Geschäftsführer geltend gemachte Ersatzansprüche haben auf die Beurteilung des Vorgangs als vGA keinen Einfluss mehr; Zahlungen zur Tilgung dieser Ansprüche sind unabhängig davon verdeckte Einlagen des Gesellschafters, ob er oder seine Ehefrau die Zahlungen leistet.
2. Tilgt die Ehefrau die Ersatzansprüche in Höhe der überhöhten Preisnachlässe durch Zahlung an die GmbH, führt dies bei ihr zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die bezogenen Waren.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 EStG , § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG , § 11 Abs. 1 EStG , § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB
Sachverhalt
Die Kläger – Eheleute – wurden für die Streitjahre 1992 und 1993 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war Geschäftsführer der V-GmbH, an der er zugleich mit 20 % des Stammkapitals als Gesellschafter beteiligt war. Die Klägerin betrieb ein Einzelunternehmen.
Die V-GmbH belieferte u.a. das Unternehmen der Klägerin mit Waren. Die V-GmbH gewährte der Klägerin auf Betreiben des Klägers in den Streitjahren sowie in dem Jahr 1994 überhöhte Rabatte. Nach Aufdeckung dieser Vorgänge durch die Mitgesellschafter im Jahr 1994 schloss die V-GmbH mit den Klägern eine Vergleichsvereinbarung, in der der entstandene Sachschaden auf 160.000 DM zuzüglich USt geschätzt wurde. Die Klägerin zahlte diesen Betrag 1994 an die V-GmbH zurück.
Das FA sah in der Rabattgewährung (einschließlich USt) eine vGA und erfasste diese in den Streitjahren beim Kläger als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Zuwendungen der GmbH an nahe stehende Personen des Gesellschafters seien bei diesem als vGA zu erfassen. Das gelte auch für einen Minderheitsgesellschafter, soweit dieser Geschäftsführer sei. Eine Kompensation der vGA mit dem Schadenersatzanspruch gegen den Kläger sei aus den in der o.a. Anmerkung genannten Gründen nicht möglich.
Die Höhe der vGA sei zu schätzen; der Schätzungsbetrag erhöhe sich um die auf die vGA entfallende USt. Die von der Klägerin geleistete Ausgleichszahlung wirke sich in den Streitjahren nicht aus; sie führe zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die bezogenen Waren im Jahr 1994. Vor Aufdeckung der vGA habe die Klägerin auch keine Rückstellung für die Rückzahlungsverpflichtung bilden dürfen.
Hinweis
Sieht man einmal von der Frage ab, ob auch ein Minderheitsgesellschafter eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) begründen kann – vom BFH bejaht, wenn er Geschäftsführer ist –, musste sich der VIII. Senat des BFH im vorliegenden Fall mit noch nicht eindeutig geklärten Grundlagen der vGA befassen. Die Wechselbeziehung zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterebene, der in der älteren Rechtsprechung ein einheitlicher Begriff des "Vermögensvorteils" zugrunde lag und die nur durch das Erfordernis eines Zuflusses dieses Vorteils beim Gesellschafter gestört war, ist – nach zwischenzeitlichen Irritationen durch die sog. neue Definition der vGA durch den I. Senat des BFH (zur Entwicklung vgl. etwa Wassermeyer, DB 2002, 2688) – heute durch eine "eingeschränkte Korrespondenz" gekennzeichnet: Die Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung bei der Gesellschaft muss jedenfalls geeignet sein, beim Gesellschafter einen Beteiligungsertrag herbeizuführen (BFH, Urteil vom 7.8.2002, I R 2/02, BFH-PR 2003, 65). Davon konnte der VIII. Senat hier ausgehen; die überhöhte Rabattgewährung hatte sogar eine Korrespondenz von Abfluss des Vermögens bei der Gesellschaft und Zufluss beim Gesellschafter zur Folge.
Gleichzeitig entstand jedoch nach Zivilrecht ein Schadenersatzanspruch der Gesellschaft und eine entsprechende Schadenersatzverpflichtung beim Gesellschafter. Und hier sah sich der VIII. Senat einer eher unklaren Rechtsprechung des I. Senats gegenüber, die nicht ohne weiteres erkennen lässt, ob zur Bestimmung des bei der Gesellschaft eintretenden Vermögensnachteils allein auf den – nach bilanzrechtlichen Grundsätzen ermittelten – Aufwand im Zeitpunkt der vGA abzustellen ist oder ob und unter welchen Voraussetzungen die nach bilanzrechtlichen Grundsätzen eintretende Saldierung des Vermögensnachteils mit dem Vermögensvorteil "Schadenersatzanspruch" zu berücksichtigen ist (im Zeitpunkt der vGA oder am Bilanzstichtag?). Der VIII. Senat lässt sich von folgenden Grundsätzen leiten:
- Eine vGA ist mit dem sie begründenden Geschäftsvorfall beendet; ob durch diesen eine Vermögensminderung eintritt, bestimmt sich danach, ob sich der Unterschiedsbetrag i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG vermindert.
- Spätere Leistungen des Gesellschafters zum Ausgleich des durch den Geschäftsvorfall entstehenden Vermögensnachteils berühren die vGA nicht mehr; sie sind regelmäßig verdeckte Einlag...