In der Praxis verlagern Arbeitnehmer immer häufiger ihren Arbeitsort in das heimische Arbeitszimmer, welches durchaus auch im Ausland belegen sein kann. Insb., wenn dies regelmäßig oder dauerhaft geschieht, besteht die Gefahr, dass im Ausland eine Betriebsstätte begründet wird – mit den daran anknüpfenden Besteuerungsfolgen. Relevant ist dies etwa für die Annahme einer beschränkten Steuerpflicht des Unternehmens im Ausland und, falls ein DBA zwischen den beiden Staaten besteht, eine regelmäßige Zuweisung von Besteuerungsrechten an den anteiligen Unternehmensgewinnen zum ausländischen Betriebsstättenstaat. Zudem sind weitreichende Gewinnermittlungs-, Anzeige- und Dokumentationspflichten damit verbunden. Entsprechendes gilt für einen im Inland ansässigen Arbeitnehmer, der für ein ausländisches Unternehmen tätig wird. In diesem Fall sind auch die gewerbesteuerlichen Folgen zu berücksichtigen, je nachdem, welche Anforderungen der jeweilige Staat an das Vorliegen einer Betriebsstätte knüpft (Hörnicke / Rötting, IWB 2024, 273; Keuthen / Suchanek, FR 2024, 263).
Nach neuester Auffassung der deutschen Finanzverwaltung begründet die Tätigkeit eines Arbeitsnehmers in dessen eigenen Räumlichkeiten typischerweise keine Betriebsstätte des Arbeitgebers (hierzu weiterführend Töben / Schrepp, DStR 2024, 592). Diese Beurteilung betrifft sowohl die nationalrechtliche Beurteilung (§ 12 AO) als auch die Sicht Deutschlands als DBA-Anwenderstaat (Art. 5 OECD-MA). Anfang 2024 hat das BMF den AEAO zu § 12 AO neu gefasst. Hiernach soll durch das Arbeiten im Homeoffice regelmäßig keine Betriebsstätte des Arbeitgebers am häuslichen Arbeitsplatz des Arbeitnehmers vorliegen (AEAO zu § 12, Ziff. 4). Typischerweise fehlt es an der Tatbestandsvoraussetzung der Verfügungsmacht über die privaten Räumlichkeiten des Personals. Dies gilt nach Auffassung des BMF auch, wenn der Arbeitgeber die Kosten für das Homeoffice und dessen Ausstattung übernimmt, Räumlichkeiten durch den Arbeitnehmer vermietet werden oder der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen anderen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt.
Beraterhinweis Anders muss jedoch ein Fall zu beurteilen sein, in dem vom Homeoffice aus solche Leitungsfunktionen ausgeübt werden, die dem Arbeitgeber eine Verfügungsmacht über die privaten Räumlichkeiten vermitteln. Daher müsste ein aus seinem Homeoffice tätiger Geschäftsleiter eine Betriebsstätte gründen können, so dass in solchen Fällen durchaus Potential für Streitigkeiten mit der in- oder ausländischen Finanzverwaltung steckt (vgl. hierzu Hörnicke / Rötting, IWB 2024, 273).
Auf Ebene des DBA (OECD-MA) ist aus deutscher Anwenderperspektive die Verwaltungsauffassung zur Begründung einer Betriebsstätte im abkommensrechtlichen Sinn durch die Beschäftigung von Mitarbeitern im Homeoffice analog der innerstaatlichen Behandlung zu handhaben, so dass regelmäßig keine durch das Homeoffice begründete Betriebsstätte vorliegen dürfte. Beachten Sie: Allerdings besteht stets das Risiko, dass der andere Vertragsstaat einer weiter oder anders gefasste Definition der Betriebsstätte vertritt und demzufolge eine solche bejaht wird – mit der Folge, dass der andere Staat ein Besteuerungsrecht geltend macht. Ist keiner der Ausschlusstatbestände des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (vorbereitende und Hilfstätigkeiten) einschlägig, ist die Verfügungsmacht des Arbeitsgebers über das Homeoffice entscheidend. Im Gegensatz zur deutschen Anwenderperspektive hat die OECD im Musterkommentar die Auffassung vertreten, dass eine Verfügungsmacht über das Homeoffice zu bejahen sei, wenn eine dauerhafte Homeofficetätigkeit vertraglich vereinbart wurde oder wenn das Unternehmen dem Arbeitnehmer keinen anderen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt. Diese weiter gefasste Auslegung der Verfügungsmacht könnte hinsichtlich der Begründung einer Betriebsstätte durch die Beschäftigung von Mitarbeitern im Homeoffice zu Qualifikationskonflikten führen. Es könnte etwa der Fall eintreten, dass ein im ausländischen Homeoffice für ein in Deutschland ansässiges Unternehmen tätiger Arbeitnehmer zwar aus deutscher Perspektive keine Betriebsstätte begründet, der ausländische Staat aber eine Betriebsstätte bejaht und aufgrund dessen ein Besteuerungsrecht reklamiert.
Beraterhinweis Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung wäre dann lediglich ein Verständigungsverfahren möglich (vgl. zu diesem Themenkomplex Hörnicke / Rötting, IWB 2024, 273).