Liegt der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt einer natürlichen Person im Inland, so ist diese gem. § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig. Dementsprechend unterliegt sie der inländischen Besteuerung mit ihren sämtlichen inländischen und ausländischen Einkünften (sog. Welteinkommensprinzip). Die Vermeidung der Doppelbesteuerung erfolgt, soweit erforderlich, durch die Methoden der Anrechnung oder der Freistellung. Als Besonderheit ist anzumerken, dass Deutsche mit Arbeitslohn aus inländischen öffentlichen Kassen und ggf. deren Angehörige, auch wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland haben, gem. § 1 Abs. 2 EStG ebenfalls unbeschränkt steuerpflichtig sind, d.h. auch sie unterliegen mit ihren sämtlichen inländischen und ausländischen Einkünften der deutschen Besteuerung (erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht).
Hat eine natürliche Person weder ihren Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so ist für die Frage ihrer Steuerpflicht nach der Art ihrer Einkünfte zu unterscheiden. Hat die Person inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG, ist sie gem. § 1 Abs. 4 EStG beschränkt steuerpflichtig. Das bedeutet, dass sie (nur) mit ihren inländischen Einkünften in Deutschland steuerpflichtig ist. Sie kann gem. § 1 Abs. 3 EStG einen Antrag auf Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtige stellen. Dies gilt jedoch nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG nicht übersteigen (unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag).
Sonderregelungen enthält § 1a EStG für Personen mit EU-Staatsangehörigkeit, die unbeschränkt steuerpflichtig sind oder gem. § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden.
Die unbeschränkte – und damit die grundsätzlich allumfassende Steuerpflicht des Welteinkommens – ergibt sich aus dem in diesem Bereich geltenden Prinzip der Wohnsitzbesteuerung. Im Bereich der beschränkten Steuerpflicht (bezogen auf die Territorialeinkünfte) gilt etwas anderes, nämlich das Prinzip der Quellenbesteuerung, welches auf die im Inland befindlichen Einkommens- und Vermögensquellen zugreift. Bei letzterem reicht das bloße Vorhandensein der Einkommensquelle für die Unterwerfung der Einkünfte unter die Besteuerung aus. Beim Prinzip der Wohnsitzbesteuerung geht es dagegen darum, auf die auf dem jeweiligen Staatsgebiet befindliche Person mit der Gesamtheit ihrer Einkünfte zuzugreifen. Würde man dies einschränkungslos durchsetzen, würden auch solche Personen besteuert, die sich dort lediglich vorübergehend aufhalten, z.B. Touristen oder Monteure. Dies kann bereits wegen der Gefahr, dass die Personalhoheit des anderen betroffenen Staates verletzt wird, nicht hingenommen werden, so dass ein zeitliches Moment eingeführt wurde, um eine Verbundenheit zu dem Staat, in dem sich das Steuersubjekt aufhält, festzustellen (vgl. hierzu Wilke / Weber, Lehrbuch Internationales Steuerrecht, 16. Aufl. 2022, Rz. 16 ff.). So wurden Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt zu den Anknüpfungspunkten für die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland.
Darüber hinaus sind Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt Anknüpfungspunkte für weitere steuerrechtliche Vorschriften, z.B. für den Kindergeldanspruch (§§ 62, 63 EStG) oder für die örtliche Zuständigkeit des FA (§ 19 AO), aber auch für einige, insb. sozialrechtliche, außersteuerrechtliche Regelungen.