Leitsatz
Die begrenzte Verlustverrechnung bei privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 Abs. 3 S. 8 EStG ist verfassungsgemäß.
Sachverhalt
Der Kläger erzielte im Jahr 2000 Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 EStG) durch die Veräußerung von Wertpapieren. Die Verluste wurden nicht mit den übrigen positiven Einkünften des Jahres 2000 ausgeglichen, sondern gem. § 23 Abs. 3 Satz 8 und 9 EStG mit den positiven Einkünften aus derselben Einkunftsart des Jahres 1999 verrechnet (Verlustrücktrag). Die danach verbleibenden Verluste wurden gem. § 10 d Abs. 4 EStG zum 31.12.2000 gesondert festgestellt. Die gegen den Einkommensteuer- und Verlustfeststellungsbescheid gerichteten Einsprüche blieben erfolglos.
Entscheidung
Nach § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG dürfen Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen werden. Darüber hinaus ist nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG i. V. m. § 10 d EStG jedoch eine Verrechnung mit den Einkünften aus derselben Einkunftsart des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums oder der nachfolgenden Veranlagungszeiträume möglich. Das Gericht hält die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG für verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und hat deshalb auf eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht verzichtet.
Insbesondere kann das Gericht keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG feststellen. Die begrenzte Verlustberücksichtigung führt zwar zu einer Ungleichbehandlung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Verhältnis zu anderen Einkunftsarten, bei denen der vertikale Verlustausgleich nicht ausgeschlossen ist; der Senat sieht dies jedoch aus folgenden Gründen als sachlich gerechtfertigt an:
Durch die Abhängigkeit der Steuerpflicht des § 23 EStG von bestimmten Fristen kann der Steuerpflichtige im Gegensatz zu anderen Einkunftsarten eine Steuerpflicht vermeiden, indem er die Fristen ohne eine Veräußerung verstreichen lässt. Wäre eine Verrechnung im gleichen Jahr mit anderen Einkunftsarten zulässig, käme es zu der besonderen Situation, dass der Steuerpflichtige durch entsprechende Veräußerungsentscheidungen bewusst Verluste innerhalb der Fristen realisieren oder Gewinne auf der privaten Vermögensebene steuerfrei einnehmen könnte. Diese Imparität, die nach Auffassung des Gerichts auch nach der Verlängerung der Fristen durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 noch besteht, führt zu einer zulässigen Differenzierung (im Rahmen des Art 3 GG).
Das Verlustausgleichs- und Verrechnungsverbot berücksichtige zudem durch eine zulässige Typisierung, dass es sich bei privaten Veräußerungsgeschäften grundsätzlich um Vorgänge auf der einkommensteuerlich unerheblichen privaten Vermögensebene handele, die auf die Erzielung von positiven Einkünften gerichtet seien, so dass negative Einkünfte damit typischerweise nicht steuerbar wären.
Das Gericht sieht auch keinen Verstoß gegen das Prinzip der gleichmäßigen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Bei dem Leistungsfähigkeitsprinzip gehe es um die sich im Lebenseinkommen ausdrückende Leistungsfähigkeit, während das Einkommensteuerrecht das Einkommen eines Jahres nach dem Jahresabschnittsprinzip betrachte. Die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG zum beschränkten Verlustausgleich und -abzug über einen Veranlagungszeitraum hinaus trage dem Leistungsfähigkeitsprinzip damit ausreichend Rechnung.
Auch einen Eingriff in die Gewährleistung der Steuerfreiheit des Existenzminimums oder eine Beeinträchtigung des Eigentums des Klägers nach Art 14 GG sieht der Senat nicht gegeben. Der Erwerb und die Veräußerung von Wertpapieren seien Vorgänge auf der privaten Vermögensebene und eine Form der Einkommensverwendung. Da Vorgänge auf dieser Ebene grundsätzlich steuerunerheblich seien, müssten später entstehende Verluste nicht uneingeschränkt berücksichtigt werden.
Die Grundsätze des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 30. 9. 1998 (2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88) und der Beschluss des BFH vom 15.12.2000 (IX B 128/99, BStBl 2001 II S. 411) lassen nach Auffassung des Senates keine Schlussfolgerungen zur Verfassungswidrigkeit oder Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 3 Satz 8 und 9 EStG zu, da den Beschlüssen die Vorschriften § 22 Abs. 3 Satz 3 EStG a.F bzw. § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG a.F. zu Grunde lagen, die die Verlustverrechnung gänzlich ausschlossen bzw. nicht einmal einen überperiodischen Verlustabzug innerhalb derselben Einkunftsart zuließen und somit mit § 23 Abs. 3 Satz 8 und 9 EStG überhaupt nicht vergleichbar seien.
Hinweis
Gegen das Urteil ist bereits Revision eingelegt worden. Das Aktenzeichen des BFH ist IX R 45/ 04. In einschlägigen Fällen sollten daher die Einkommensteuerbescheide mit einem Einspruch angefochten und mit Blick auf das Revisionsverfahren zum Ruhen gebracht werden.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 15.09.2004, 7 K 1268/03