Leitsatz
1. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass durch die Entfernungspauschale sämtliche gewöhnlichen wie außergewöhnlichen Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte abgegolten werden.
2. Insbesondere ist in dem Umstand, dass der Gesetzgeber Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel von der abzugsbeschränkenden Wirkung der Entfernungspauschale ausgenommen hat, kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu erblicken.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2, § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG, Art. 3 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 8 Abs. 2, § 42, § 46 Abs. 2 Nr. 1, § 47 PBefG
Sachverhalt
In der Einkommensteuererklärung machte der Kläger für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem Pkw die tatsächlichen Kosten von 0,44 EUR/km geltend. Das FA berücksichtigte die Wegekosten hingegen lediglich in Höhe der Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG). Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das FG ab (FG Nürnberg, Urteil vom 29.7.2014, 7 K 784/13, Haufe-Index 7938414, EFG 2015, 1184).
Mit der Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Umstand, dass Arbeitnehmer, die für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte öffentliche Verkehrsmitteln nutzten, von der abzugsbeschränkenden Wirkung der Entfernungspauschale ausgenommen seien, verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des Klägers aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen zurück.
Hinweis
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG in der im Streitjahr (2010) geltenden Fassung sind Werbungskosten auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die regelmäßige Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte von 0,30 EUR anzusetzen. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG sind durch die Entfernungspauschalen "sämtliche Aufwendungen" abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte veranlasst sind, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Diese können nach § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG auch angesetzt werden, soweit sie den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag überschreiten.
2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat das FA die Aufwendungen des Klägers für seine arbeitstäglichen Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte in der Höhe zutreffend als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigt. Denn der Kläger hat die Wegstrecken nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern mit einem Kfz zurückgelegt. Damit ist der Abzug seiner über die Entfernungspauschale hinausgehenden tatsächlich entstandenen Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG ausgeschlossen.
3. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen, insbesondere gegen die abgeltende Wirkung der Entfernungspauschale, bestehen nicht (z.B. BFH, Urteil vom 6.11.2014, VI R 21/14, BFHE 247, 427, BFH/NV 2015, 401; BFH, Urteil vom 20.3.2014, VI R 29/13, BFH/NV 2014, 1284; BFH, Urteil vom 9.2.2012, VI R 22/10, BFH/NV 2012, 1212, m.w.N.).
4. Der Umstand, dass der Gesetzgeber entsprechende Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nach § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG, auch soweit sie den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag überschreiten, zum Werbungskostenabzug zulässt, verstößt ebenfalls nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Zum einen verkennt der Kläger die Reichweite des allgemeinen Gleichheitssatzes im Hinblick auf eine möglicherweise gleichheitswidrige Begünstigung der Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel. Die gleichheitswidrige Privilegierung einer Gruppe stellt sich zwar als Benachteiligung der übrigen Steuerpflichtigen dar. Ein allgemeines und generelles Abwehrrecht Dritter hiergegen gewährt Art. 3 Abs. 1 GG jedoch nicht (BVerfG, Beschluss vom 26.7.2010, 2 BvR 2227/08, 2 BvR 2228/08, BFH/NV 2012, 1212; BFH, Beschluss vom 21.9.2006, VI R 81/04, BFH/NV 2006, 2362).
b) Zum anderen ist die Privilegierung öffentlicher Verkehrsmittel in § 9 Abs. 2 Satz 2 EStGverfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber wahrt damit vielmehr das objektive Nettoprinzip in besonderer Weise und trägt folgerichtig dem Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit Rechnung. Überdies ist der Steuergesetzgeber grundsätzlich nicht gehindert, außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele zu verfolgen. Es ist deshalb gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn er Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel von der abzugsbegrenzenden Wirkung der Entfernungspauschale ausnimmt. Der Umstand, dass diese insbesondere gegenüber dem motorisierten privaten Individualverkehr in Bezug auf...