Kommentar

Die Kläger machten geltend, die Besteuerung ihrer im Jahr 1993 erzielten Zinseinkünfte sei verfassungswidrig ( Zinsabschlag ). Die Neuregelung der Zinsbesteuerung durch das Zinsabschlaggesetz vom 9. 11. 1992 (BStBl 1992 I S. 682) entspreche nicht den Vorgaben des BVerfG (Urteil v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BStBl 1991 II S.654). Der Gesetzgeber habe es unterlassen, den aus dem früheren Bankenerlaß 1979 (BStBl 1979 I S.590) hervorgegangenen § 30a AO zu ändern. Infolgedessen bestünden die vom BVerfG beanstandeten Mängel bei der Durchsetzung der Zinsbesteuerung in Veranlagungszeiträumen ab 1993 fort. Klage und Revision der Kläger hatten keinen Erfolg.

Der BFH führte aus, daß das Zinsabschlaggesetz den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge . Die wesentliche Ursache für ein evtl. fortbestehendes Erhebungsdefizit bei der Zinsbesteuerung liege nicht in der unmittelbar vom Steuergesetzgeber zu verantwortenden rechtlichen Gestaltung des Besteuerungsverfahrens.

Soweit es um im Ausland erzielte Kapitaleinkünfte gehe, könne der Gesetzgeber nichts daran ändern, daß es den deutschen Finanzbehörden nach völkerrechtlichen Grundsätzen verwehrt sei, hoheitliche Befugnisse außerhalb des deutschen Staatsgebiets auszuüben ( Kapitalvermögen ).

In bezug auf die im Inland erzielten Kapitaleinkünfte stelle die AO den Finanzbehörden ein Ermittlungsinstrumentarium zur Verfügung, welches eine weitgehend vollständige und gleichmäßige Steuerfestsetzung gewährleiste. § 30a AO stehe dem nicht entgegen . § 30a Absätze 1 , 2 , 4 , und 5 AO hätten lediglich deklaratorischen Charakter. Diese Regelungen bestätigten nur das, was sich auch ohne deren Existenz ergeben würde.

Das grundsätzliche Kontrollmitteilungsverbot des § 30a Abs. 3 AO sei verfassungskonform dahin einzuschränken, daß Kontrollmitteilungen durch den Banken-Außenprüfer dann geschrieben werden könnten, wenn dazu ein „hinreichender Anlaß” bestehe. Ein solcher „hinreichender Anlaß” sei nicht erst dann gegeben, wenn der Betriebsprüfer Zufallserkenntnisse gewinne, die den Verdacht einer Steuerverkürzung im Einzelfall begründeten. Für das Vorliegen eines „hinreichenden Anlasses” genüge vielmehr, daß der Außenprüfer im Rahmen einer aufgrund allgemeiner Erfahrung getroffenen Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelange, daß eine Kontrollmitteilung zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen könne. „Hinreichender Anlaß” im Anwendungsbereich des § 30a Abs. 3 AO meine folglich dasselbe wie der „hinreichende Anlaß” für ein Auskunftsersuchen i. S. v. § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsstellen „zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle” ( § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO ).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.02.1997, VIII R 33/95

Anmerkung:

Mit dieser Entscheidung ist der BFH der landläufigen irrigen Vorstellung entgegengetreten, daß es in Deutschland ein „echtes” Bankgeheimnis gegenüber dem Steuerfiskus gebe . Zugleich hat er sich damit gegen die von gewichtigen Stimmen in der Literatur geäußerte Meinung gewandt, § 30a AO enthalte ein stringentes Kontrollmitteilungsverbot, das – in verfassungswidriger Weise – eine gleichmäßige Erhebung der Zinssteuern verhindere.

Jedoch: Bevor man eine Norm derart weit interpretiert, daß sie gegen das GG verstößt, muß geprüft werden, ob ihr Wortlaut eine Auslegung zuläßt und gebietet, deren Ergebnisse sich mit den Verfassungsnormen in Einklang bringen lassen. Eine solche verfassungskonforme Auslegung hat der BFH im Besprechungsurteil vorgenommen. Dabei hat er das dort ausgesprochene grundsätzliche Kontrollmitteilungsverbot noch weiter verengt, als es von der Finanzverwaltung im Anwendungserlaß zu § 30a AO (BMF, Schreiben v. 23. 3. 1993, BStBl 1993 I S. 330) geschehen ist. Während die Verwaltung dort für die Durchbrechung des Kontrollmitteilungsverbots immerhin einen (anhand konkreter Tatsachen zu belegenden) Anfangsverdacht einer Steuerverkürzung verlangt, läßt der BFH bereits einen (auch aufgrund abstrakter Umstände begründbaren) „hinreichenden Anlaß” genügen . Wann ein solcher „hinreichender Anlaß” anzunehmen ist, wird in dem Urteil allerdings nicht näher erläutert . Der BFH beschränkt sich insoweit auf den Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung zu § 93 Abs. 1 AO und § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO .

In diesem Punkt dürften künftige Rechtsstreite vorprogrammiert sein, die dem BFH Gelegenheit bieten werden, diesen unbestimmten Rechtsbegriff im Anwendungsfeld des § 30a Abs. 3 AO zu konkretisieren. Nach wie vor bleibt es jedenfalls bei dem Verbot von Kontrollmitteilungen „ins Blaue hinein” , zum Zweck der bloßen Rasterfahndung. Dies scheint indessen m. E. nicht nur hinnehmbar, sondern sogar – insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG ) – von Verfassungs wegen geboten zu sein.

Nach meinem Dafürhalten ist auch § 194 Abs. 3 AO (betreffend die Zulässigkeit von Kontrollmitteilungen bei Außenprüfungen außerhalb des ...

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