Leitsatz
Die Nichtabzugsfähigkeit der GewSt von der Bemessungsgrundlage der KSt ist verfassungsgemäß.
Normenkette
§ 4 Abs. 4, Abs. 5b EStG, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2008 Tankstellen mit Shops und Waschstraßen. Die zum Betrieb wesentlichen Betriebsgrundlagen pachtete sie. In ihrer KSt-Erklärung berücksichtigte sie gem. § 4 Abs. 5b EStG 2002 i.d.F. des UntStRefG 2008 als nicht abziehbare Aufwendungen u.a. die festgesetzte GewSt.
Sie war allerdings der Auffassung, die mit dem UntStRefG 2008 eingeführte Nichtabziehbarkeit der GewSt im Rahmen der Gewinnermittlung für die KSt sei verfassungswidrig. Sie verstoße insbesondere bei "pachtintensiven" Betrieben sowohl gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG als auch gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Ihre deswegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg (FG Hamburg, Urteil vom 29.2.2012, 1 K 48/12, Haufe-Index 2933815, EFG 2012, 933).
Entscheidung
Auch die anschließende Revision blieb erfolglos. Der BFH hielt das Abzugsverbot gleichfalls nicht für verfassungswidrig.
Hinweis
1. Die GewSt ist ihrer Natur nach eine Betriebsausgabe und mindert deshalb den Gewinn. Mit dem UntStRefG 2008 hat der Gesetzgeber dem widersprechend jedoch in § 4 Abs. 5b EStG"kraft Gesetzes" angeordnet: "Die GewSt und die darauf entfallenden Nebenleistungen sind keine Betriebsausgaben". Kraft dieses Regelungsbefehls darf die GewSt infolgedessen bei der Ermittlung des zu versteuernden Gewinns nicht mehr gewinnmindernd (und damit steuermindernd) berücksichtigt werden.
2. Das wird im Schrifttum vielfach kritisiert und zu einem ganz beträchtlichen Teil auch gar für verfassungswidrig gehalten.
Der BFH hat sich letzterem nicht anschließen mögen: Die mit diesem Abzugsverbot verbundene Einschränkung des sog. objektiven Nettoprinzips verstößt jedenfalls bei Kapitalgesellschaften nicht gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot oder die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes. Sie lässt sich vielmehr im Gesamtzusammenhang mit den durch das UntStRefG 2008 zugleich bescherten steuerlichen Entlastungen (u.a. z.B. den dadurch abgesenkten KSt-Satz von zuvor 25 % auf nur noch 15 %) im "Gesamtpaket" (soeben noch) hinreichend sachlich begründen.
3. Die dazu angestellten Überlegungen im Einzelnen – für die hier nur der Hinweis auf den Urteilstext gegeben werden soll – wiegen hier und da eher "mager" und sie werden deswegen nicht jeden überzeugen. Im Hintergrund stand dem BFH gewiss der Gedanke, dass nicht alles, was steuerpolitisch "unschön" ist, auch die Folge der Verfassungswidrigkeit nach sich zieht.
"Umtreiben" mag einen in Anbetracht des nahezu jährlich länger werdenden Katalogs gesetzlich nicht abziehbarer Betriebsausgaben allerdings der Gedanke, wie es sich verhält, wenn die Vielzahl der nicht abziehbaren Positionen den Gedanken des objektiven Nettoprinzips gleichsam auf den Kopf stellt und dadurch die Ausnahme zur Regel wird. Irgendwann wird das BVerfG nicht umhinkommen, sich dazu zu äußern, ob die steuerliche Abziehbarkeit des Erwerbsaufwands eine verfassungsfeste Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips darstellt. Bislang wird das vom BVerfG vermieden, ersichtlich auch, um sich nicht mit dem "Kleinklein" einzelner abzugsfähiger Positionen beschäftigen zu müssen.
4. Für die GewSt und deren Charakter als abzugsfähige Betriebsausgabe ist die Zeit für eine solche Fundamentalaussage aber offenbar noch nicht reif. Vermutlich wird die klagende GmbH indes allemal Verfassungsbeschwerde erheben, und vielleicht gelingt ihr, was dem BFH angeblich nicht gelingt (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 1.4.2014, 2 BvL 2/09), nämlich die – zuweilen rechtsschutzvermeidenden – hohen Hürden der (Un-)Zulässigkeit vor dem BVerfG zu überwinden.
5. Unbeantwortet ist derzeit noch, ob bei der Ermittlung des Gewerbeertrages die Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG verfassungsgemäß sind. Das FG Hamburg hat das (im Beschluss vom 29.1.2012, 1 K 138/10, EFG 2012, 960) bekanntlich verneint und das BVerfG (dortiges Az. 1 BvL 8/12) angerufen, der BFH hingegen in zwei AdV-Verfahren bejaht; gegen dessen Beschlüsse vom 16.10.2012, I B 128/12 (BStBl II 2013, 30, BFH/NV 2013, 144, BFH/PR 2013, 56, gleichlautend in der Parallelsache I R 125/12, BFH/NV 2013, 249) wurde ebenfalls Verfassungsbeschwerde eingelegt, die aber beim BVerfG – nach einer für dieses Gericht ungewöhnlich schnellen Entscheidungsfindung – erfolglos blieb (Beschlüsse vom 6.5.2013, 1 BvR 821/13, BFH/NV 2013, 1212). Über ein Hauptsacheverfahren in dieser Sache wird der BFH alsbald entscheiden; die mündliche Verhandlung über die Revision I R 70/12 gegen das Urteil des FG Münster vom 22.8.2012, 10 K 4664/10 G (EFG 2012, 2231) ist auf den 4.6.2014 geladen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.1.2014 – I R 21/12