Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
Ein im Ausland ansässiger Unternehmer, der gem. § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG eine Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr abzugeben hat, ist berechtigt und verpflichtet, alle in diesem Kalenderjahr abziehbaren Vorsteuerbeträge in dieser Steuererklärung geltend zu machen (entgegen Abschn. 18.15. Abs. 1 Satz 2 UStAE).
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 13a Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 2 und 3, § 16, § 18 UStG, Art. 17 Abs. 3 und 4 der 6. EG-RL, Art. 1 Richtlinie 79/1072/EWG, §§ 59 ff. UStDV, Abschn. 18.15. Abs. 1 Satz 2 UStAE
Sachverhalt
Die im Ausland ansässige Klägerin unterhielt eine Spedition. Sie führte im Inland Transportdienstleistungen aus und erbrachte im Streitjahr nur Umsätze, für die gem. § 13b UStG die Leistungsempfänger die Steuer schuldeten. Die Leistungen wurden in der Weise abgerechnet, dass die Leistungsempfänger der Klägerin Gutschriften mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer erteilten.
Die Klägerin reichte beim FA eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr ein, in der sie Umsätze gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG i.H.v. ... EUR (Umsatzsteuer ... EUR) und Vorsteuerbeträge i.H.v. ... EUR erklärte. Daraus ergab sich ein Erstattungsanspruch.
Abweichend davon erfasste das FA im Umsatzsteuerbescheid die Umsatzsteuer aus den erklärten Umsätzen als von der Klägerin – nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, sondern – nach § 14 Abs. 2 UStG geschuldet. Die von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerbeträge könnten im allgemeinen Umsatzsteuer-Festsetzungsverfahren nach § 18 Abs. 3 UStG nicht berücksichtigt werden, weil insoweit ausschließlich das (besondere) Vorsteuer-Vergütungsverfahren nach § 18 Abs. 9 UStG eingreife.
Einspruch und Klage vor dem FG des Saarlandes (Urteil vom 7.12.2010, 1 K 1237/07, Haufe-Index 2729682) blieben erfolglos.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Der BFH stellte fest, dass die Klägerin im Streitfall zur Abgabe einer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr verpflichtet war (§ 18 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 16 Abs. 1 bis 4 UStG). Dabei könne offenbleiben, ob die Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung darauf gestützt wird, dass die Umsatzsteuer für die den Gutschriften zugrunde liegenden Umsätze – wie von der Klägerin erklärt – gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG oder – wie vom FA vertreten – wegen unrichtigen Steuerausweises nach § 14 Abs. 2 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG entstanden ist. Dementsprechend habe das FA zu Recht Umsatzsteuer gegen die Klägerin festgesetzt.
Bei dieser Sachlage lägen im Streitfall die Voraussetzungen für die Anwendung des Vergütungsverfahrens nach § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. § 59 UStDV nicht vor. Denn im Fall einer Steuerfestsetzung durch das FA – wie hier – entfalte § 59 UStDV bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung für gleichzeitig geltend gemachte Vorsteuerbeträge keine Sperrwirkung für das allgemeine Besteuerungsverfahren.
Das FG muss nun im zweiten Rechtsgang prüfen, ob die von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerbeträge nach § 15 UStG abziehbar sind.
Hinweis
Die Vergütung der abziehbaren Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer ist abweichend vom allgemeinen Besteuerungsverfahren (§ 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG) u.a. dann im speziellen Vorsteuer-Vergütungsverfahren nach den §§ 60 und 61 UStDV durchzuführen, wenn der Unternehmer im Vergütungszeitraum im Inland nur Umsätze ausgeführt hat, für die der Leistungsempfänger gem. § 13b UStG die Steuer schuldet (§ 18 Abs. 9 UStG i.V.m. § 59 Nr. 2 UStDV).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.8.2013 – XI R 5/11