Leitsatz
1. In Fällen zurückgeforderter Ausfuhrerstattung für vor dem 1.4.1995 ausgeführte Erzeugnisse richtet sich die Verjährung des dazugehörigen Zinsanspruchs des HZA nach den bis zum 31.12.2001 gültigen Verjährungsvorschriften des BGB in analoger Anwendung.
2. Der Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattung ist rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Erstattungsgewährung zu verzinsen. Dieser Zeitpunkt ist auch für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist für den Zinsanspruch maßgebend.
3. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 VwVfG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung unterbrach der Erlass eines den Zinsanspruch dem Grunde nach feststellenden Verwaltungsakts die Verjährung dieses Anspruchs nicht.
Normenkette
Art. 3 VO (EG) Nr. 2988/95, § 197, § 198, § 201 BGB a. F., § 14 Abs. 1 Satz 1 MOG, § 53 Abs. 1 Satz 1 VwVfG
Sachverhalt
Ein Unternehmer hatte 1991 Rinder unter Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattung ausgeführt; die Erstattung war jedoch später (1998) vom HZA zurückgefordert worden. Erst 2002 setzte das HZA Zinsen auf den Rückforderungsbetrag fest, wogegen der Ausführer den Einwand der Verjährung erhob. Die Anfechtungsklage führte zum Erfolg. Der Zinsbescheid ist rechtswidrig (FG Hamburg, Urteil vom 9.9.2010, 4 K 77/09, Haufe-Index 2529556).
Entscheidung
Die Revision des HZA ist nur zum Teil begründet. Der BFH hat die Aufhebung der Zinsfestsetzung für den Zeitraum bis Ende 1997 bestätigt.
Hinweis
1. Nach einer Entscheidung des EuGH (EuGH, Urteil vom 29.3.2012, C-564/10, ZfZ 2012, 166) gilt Art. 3 VO Nr. 2988/95 im Fall der Rückforderung rechtswidrig aus dem Unionshaushalt erlangter Vorteile nicht für die auf den Rückzahlungsanspruch berechneten Zinsen, falls diese nicht nach Unionsrecht, sondern nach nationalem Recht geschuldet sind. Das BFH-Urteil vom 17.3.2009, VII R 3/08 (BFHE 225, 289, ZfZ 2009, 271) ist überholt.
2. Bis April 1995 gab es keine unionsrechtliche Zinsvorschrift für zurückgeforderte Ausfuhrerstattungen. Sie wurde erst durch die Verordnung (EG) Nr. 2945/94 vom 2.12.1994 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (ABlEG Nr. L 310/57) in das Ausfuhrerstattungsrecht aufgenommen. Nach deren Art. 2 VO Nr. 2945/94 ist die VO Nr. 3665/87 in der Fassung dieser Änderung nur auf ab dem 1.4.1995 angemeldete Ausfuhren anzuwenden. Zuvor galt § 14 Abs. 1 Satz 1 MOG, demzufolge Ansprüche auf Erstattung besonderer Vergünstigungen vom Zeitpunkt des Empfangs an mit 3 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zu verzinsen waren.
3. Da es im deutschen Recht keine spezielle, die Verjährung marktordnungsrechtlicher Rückzahlungs‐ bzw. entsprechender Zinsansprüche betreffende Vorschrift gab, ist die Frage der Verjährung einer solchen Zinsforderung in entsprechender Anwendung der bis zum 31.12.2001 gültigen Verjährungsvorschriften des BGB a.F. zu beantworten. Ansprüche auf Rückstände von Zinsen verjährten nach § 197 BGB a.F. in vier Jahren. Nach § 198 Satz 1 i.V.m. § 201 Satz 1 BGB a.F. begann die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist.
4. Das BVerwG hat entschieden, dass der Lauf der Verjährungsfrist für den die Rückzahlung einer besonderen Vergünstigung betreffenden Zinsanspruch nicht erst mit der Bekanntgabe des Rückforderungsbescheids beginne. Denn der Begriff der "Entstehung" eines Anspruchs sei im öffentlichen Recht nicht in gleicher Weise auszulegen wie im bürgerlichen Recht. Wenn diese Ansprüche rückwirkend, nämlich sukzessive mit dem jeweils verzinsten Zeitraum, entstünden, müsse auch der rückwirkende Beginn ihrer Verjährung möglich sein (BVerwG, Beschluss vom 21.10.2010, 3 C 4.10, NVwZ 2011, 949; Vorlagebeschluss in RdL 2011, 78; der BVerwG-Beschluss vom 23.7.1986, 3 B 66.85, Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 65, ist überholt).
5. Der BFH ist dem gefolgt (obwohl gegen die Argumentationsweise des BVerwG einiges dürfte eingewandt werden können).
6. § 53 Abs. 1 Satz 1 VwVfG a.F. führte zu einer Unterbrechung der Verjährung nur bei Erlass eines Leistungsbescheids ("zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassene Verwaltungsakte"). Die Neufassung, die auch Feststellungsbescheide genügen lässt, war im Besprechungsfall noch nicht anwendbar. Den bloßen Hinweis auf die gesetzliche Verzinsungsregelung des § 14 Abs. 1 MOG als feststellenden Verwaltungsakt anzusehen, hätte der BFH wohl ohnehin Bedenken. Wie man eine bestandskraftfähige Feststellung in einem Rückforderungsbescheid deutlich zum Ausdruck bringen könnte, ist freilich nicht ganz leicht anzugeben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.12.2012 – VII R 61/10