Leitsatz
Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 der 6. EG-RL des Rats vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die USt – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage sind dahin auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der auf eigenes Risiko zahlungsgestörte Forderungen zu einem unter ihrem Nennwert liegenden Preis kauft, keine entgeltliche Dienstleistung i.S.v. Art. 2 Nr. 1 dieser RL erbringt und keine in ihren Geltungsbereich fallende wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, wenn die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt.
Normenkette
Art. 4, Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL, § 3 Abs. 9, § 2 Abs. 1 UStG
Sachverhalt
GFKL hatte zu einem ca. 50 % unter dem Nennwert liegenden Preis zahlungsgestörte Forderungen aufgekauft und damit abschließend das Risiko der Realisierbarkeit übernommen. Das FG bestätigte die Klägerin, es liege keine steuerbare Leistung vor.
Entscheidung
Die Entscheidung des EuGH ist deutlich und lässt für den Streitfall, in dem die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelte (Rz. 26), kaum Deutungsmöglichkeiten offen.
Hinweis
1. Im Urteil "MKG" hatte der EuGH entschieden, dass es als Nutzung des betreffenden Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen i.S.v. Art. 4 Abs. 2 der 6. RL anzusehen sei, "wenn ein Factor einem Kunden gegenüber für die Erfüllung von Forderungen einsteht, indem er das Ausfallrisiko übernimmt, sofern diese Tätigkeit gegen Entgelt über einen bestimmten Zeitraum ausgeübt wird". Ausreichend sei, wenn der Forderungsverkäufer "von der Einziehung der Forderungen und dem Risiko ihrer Nichterfüllung entlastet" wird. Dies hatte den BFH zur Frage veranlasst, ob auch der Forderungserwerber beim Verkauf zahlungsgestörter Forderungen eine Leistung gegen Entgelt an den Forderungsverkäufer erbringt.
2. Der EuGH verneint eine wirtschaftliche Tätigkeit, wenn lediglich zahlungsgestörte Forderungen unter dem Nennwert verkauft werden, wenn diese Differenz keine Vergütung darstellt, mit der unmittelbar eine vom Käufer der veräußerten Forderungen erbrachte Dienstleistung entgolten werden soll, sondern wenn der Kaufpreis den wirtschaftlichen Wert der Forderungen – der auf die Zahlungsstörungen und ein erhöhtes Risiko des Ausfalls der Schuldner zurückzuführen ist – zum Zeitpunkt des Verkaufs widerspiegelt.
Ob das der Fall ist, ist ggf. im Einzelfall zu prüfen.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 27.10.2011 – C-93/10 – GFKL Financial Services AG –