Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Auf einem Datenträger verkörperte Standardsoftware ist "Ware" i.S.d. § 2a Abs. 2 EStG.
Normenkette
§ 2a Abs. 2, § 17 Abs. 1, Abs. 2 S. 4 Buchst. b EStG, § 1 Abs. 2 Nr. 1 HGB a.F., § 90 BGB
Sachverhalt
Herr K erwarb 2000 etwas über 9 % der Anteile an einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft, die einen Internet-Server zu Wiedergabe von 3-D-Darstellungen entwickelte und auch vertreiben wollte. 2002 veräußerte K die Anteile mit Verlust. Die deutsche Erwerberin produziert mittlerweile die Standardsoftware.
Das FA erkannte den Verlust wegen § 2a EStG nicht an. Das FG gab der Klage statt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.01.2008, 5 K 2543/04 B, Haufe-Index 1970560, EFG 2008, 1020).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung und wies die Revision des FA zurück. Das FA trug im Revisionsverfahren noch vor, es liege ein Vertrieb nach der sog. "OEM"-Version vor (vgl. dazu BGH, Urteil vom 06.07.2000, NJW 2000, 3571). Diese Argumentation konnte vor dem BFH nicht gehört werden; denn wie das FG festgestellt hatte, sollte die Software nicht durch autorisierte andere Unternehmer produziert werden.
Hinweis
1. Werden Anteile i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG an einer ausländischen Kapitalgesellschaft veräußert und wird dadurch ein Verlust erzielt, so muss der Rechtsanwender zwei Verlustabzugsbeschränkungen beachten. Einmal – sozusagen normintern – § 17 Abs. 2 S. 4 Buchst. b) EStG und ferner § 2a EStG.
2. Liegt der Fall so wie hier und erwirbt Herr K im Jahr 2000 mehr als 9 % der Anteile an einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft und veräußert er sie im Jahr 2002 mit Verlust, steht § 17 Abs. 2 S. 4 Buchst. b EStG dem Verlustabzug nicht entgegen. Denn K war im gesamten Zeitraum zu mehr als 1 % beteiligt. Anders als die früheren Fassungen setzt das Gesetz nicht voraus, dass er in all den Jahren wesentlich beteiligt war. Das war er hier im Jahr 2000 nicht; denn er erreichte mit seinen mehr als 9 % der Anteile nicht ganz die damals geltende Wesentlichkeitsgrenze von 10 %. K muss auch nicht insgesamt 5 Jahre beteiligt sein, um die Verluste geltend machen zu können. Denn er erwarb im Jahr 2000 von vornherein eine Beteiligung von über 1 %, die zu einer Beteiligung i.S.d. Abs. 1 S. 1 führte (siehe auch § 17 Abs. 2 S. 4 Buchst. b S. 2 EStG).
3. Auch § 2a Abs. 1 EStG steht einem Verlustabzug nicht entgegen, wenn die negativen Einkünfte aus einer gewerblichen Betriebsstätte der Körperschaft im Ausland stammen, die Waren herstellen oder liefern (§ 2a Abs. 2 EStG). Mit dieser Voraussetzung musste sich der BFH befassen, weil die Kapitalgesellschaft, an der Herr K beteiligt war, eine Standardsoftware zur Nutzung im Internet produzierte, die kaufweise durch Vertrieb der auf einen Datenträger kopierten Software überlassen wurde.
4. Die Frage ist also, ob die auf einem Datenträger verkörperte Standardsoftware "Ware" ist – und diese Frage hat der BFH wie aus dem Leitsatz ersichtlich eindeutig bejaht. Für seine Antwort konnte sich der BFH auf eine langjährige und ständige Rechtsprechung des BGH beziehen, die eine derartige Standardsoftware als körperlichen Gegenstand begreift – und ein körperlicher Gegenstand ist natürlich eine Ware. Dabei braucht gar nicht besonders erwähnt zu werden, dass Gegenstand des Warenumschlags die verkörperte geistige Leistung ist. Niemand erwirbt die Software um des Datenträgers willen, genauso wenig, wie man ein Buch kauft, weil man Papier erhalten möchte.
5. Das alles ist so furchtbar aufregend nicht, gäbe es nicht eine Rechtsprechung zum InvZulG, die auch eine Standardsoftware als immaterielles Wirtschaftsgut behandelt. Davon hat sich der IX. Senat allerdings nicht beeindrucken lassen, Erstens verwenden die InvZuGe nicht wie § 2a EStG den Begriff "Ware" und zweitens muss bei der Auslegung anders als bei § 2a EStG stets der Förderzweck berücksichtigt werden. Ganz abgesehen davon ist die Rechtsprechung aus den 80er Jahren (BFH, Urteil vom 03.07.1987, III R 7/86, Haufe-Index 61818, BStBl II 1987, 728) hoffnungslos veraltet.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.10.2008 – IX R 22/08