Leitsatz
Entstehen dem Kind als Folge eines Unfalls Aufwendungen zur Heilung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, die von der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erstattet werden, ist die als Bezug anzusetzende Verletztenrente um diese Aufwendungen zu mindern.
Normenkette
§ 32 Abs. 4 S. 2 EStG
Sachverhalt
Die 1983 geborene Tochter (T) des Klägers erlitt Ende 2001 auf dem Schulweg einen schweren Unfall, der zu Depressionen führte. Auf die Anregung der Psychotherapeutin verbrachte T die Monate April bis August 2003 in Schottland, dazu wurde sie von der Schule beurlaubt. Wegen unfallbedingter Minderung der Erwerbsfähigkeit zahlte die Landesunfallkasse im Jahr 2003 insgesamt 10 047,35 EUR, wovon ca. 5 500 EUR auf die Jahre 2001 und 2002 und 4 500 EUR auf das Jahr 2003 entfielen.
Das FG gab der Klage statt (FG Hamburg, Urteil vom 07.08.2007, 1 K 15/05, Haufe-Index 1812551, EFG 2008, 222). Die Kosten für den Schottland-Aufenthalt i.H.v. 4 035 EUR seien nach ärztlichem Gutachten vom März 2007 zur Genesung erforderlich und nicht erstattungsfähig gewesen und dem Jahresgrenzbetrag als zusätzlicher Bedarf hinzuzurechnen. Auch ohne Erhöhung sei der Jahresgrenzbetrag aber nicht überschritten, da die Rentennachzahlung i.H.d. unfallbedingten Aufwendungen für den normalen Lebensunterhalt nicht zur Verfügung gestanden habe.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG-Urteil im Ergebnis und dessen Begründung, dass die Rentennachzahlung i.H.d. (Reise=) Therapiekosten die Eltern nicht entlastet hätten.
Hinweis
1. Eine nach § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerfreie sog. Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung gehört zu den Bezügen des Kinds. Nachzahlungen für vorangegangene Jahre sind beim Zufluss zu berücksichtigen und nicht dem Zeitraum zuzuordnen, für den sie gezahlt wurden.
2. Bislang ist nicht entschieden, ob und inwieweit Krankheits- oder Krankheitsfolgekosten zu den nach der BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 (betr. Sozialversicherungsbeiträge) unvermeidbaren, die Einkünfte und Bezüge des Kindes mindernden Aufwendungen gehören können. Dies bleibt auch weiterhin offen.
3. Der Zweck der Verletztenrente ist gesetzlich nicht ausdrücklich bestimmt. Nach der Rechtsprechung des BSG soll sie sowohl den Mehrbedarf durch die bleibenden Unfallverletzungen als auch den Einnahmenverlust aufgrund der geminderten Erwerbsfähigkeit ausgleichen und immaterielle Schäden kompensieren. Aufgrund dieser unterschiedlichen Funktionen kann sie zwar als Bezug angesetzt werden, aber nur insoweit, als sie die Aufwendungen für therapeutische Maßnahmen übersteigt, die als Folge des Unfalls angefallen sind und auch erforderlich waren.
4. Zu diesen erforderlichen Therapieaufwendungen kann auch eine Auslandsreise gehören; die Einschränkungen für den Abzug von Aufwendungen für Kuren u.Ä., die die Rechtsprechung im Rahmen des § 33 EStG aufgestellt hat – z.B. vorherige amtsärztliche Begutachtung –, gelten hier nicht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.12.2009 – III R 74/07