OFD Koblenz, Verfügung v. 29.3.2011, S 0711 A - St 43 3

Gem. § 144 AO haben gewerbliche Unternehmer, die nach Art ihres Geschäftsbetriebs Waren regelmäßig an andere gewerbliche Unternehmer zur Weiterveräußerung oder zum Verbrauch als Hilfsstoffe liefern, den für diese Zwecke bestimmten Warenausgang gesondert aufzuzeichnen. Zusammen mit der Vorschrift des § 143 AO, welche die Aufzeichnungen des Wareneingangs beim Warenempfänger regelt, ermöglicht die Vorschrift der Finanzbehörde, Warenbewegungen vom Veräußerer zum Empfänger nachzuprüfen.

Bislang war eine Ahndung der Verletzung der Aufzeichnungspflichten im Sinne von § 144 AO im Rahmen des § 379 Abs. 1 Nr. 3 AO problematisch, da es am Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung der Norm des § 144 AO und der als Rechtsfolge von § 379 Abs. 1 Satz 1 umfassten Ermöglichung einer Steuerhinterziehung mangelte.

Der Gesetzgeber hat im Jahressteuergesetz 2010, das am 14.12.2010 in Kraft getreten ist, die Verletzung der Aufzeichnungspflichten nach § 144 AO als eigenständigen Tatbestand in den Katalog der Ordnungswidrigkeiten aufgenommen.

Gemäß § 379 Abs. 2 Nr. 1a AO handelt nunmehr ordnungswidrig, wer entgegen § 144 Abs. 1 oder Absatz 2 Satz 1, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 5, eine Aufzeichnung nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erstellt.

Dies betrifft in erster Linie die Fälle, in denen der Händler den Liefervorgang zwar buchhalterisch erfasst, darüber hinaus aber die nach § 144 Abs. 3 Nr. 2 AO erforderliche Aufzeichnung des Namens und der Anschrift des Abnehmers unterlässt.

Unter die neue Gesetzesnorm fällt in diesem Zusammenhang aber auch die nicht vollständige Führung des Warenausgangsbuches beim sogenannten Rechnungssplitting. Damit werden Fallgestaltungen bezeichnet, in denen die Verschleierung von Umsatzverkürzungen dadurch erleichtert wird, dass dem Kunden die Möglichkeit geboten wird, den Wareneinkauf buchhalterisch nicht vollständig zu erfassen. Die in der Praxis vorzufindenden Verschleierungssysteme reichen vom gesplitteten Verkauf teils auf Rechnung, teils als Barverkauf über den Einsatz von wechselnden Tagesausweisen oder die Verwendung unterschiedlicher Kundennummern für einen Kunden bis hin zur Akzeptanz falscher Abnehmer – Identitäten.

Solche Fallgestaltungen, die vor allem im Rahmen von Außenprüfungen auffallen können, führen in vielen Fällen dazu, dass kein ordnungsgemäßes Warenausgangsbuch vorliegt. Die darin liegende Ordnungswidrigkeit nach § 379 Abs. 2 Nr. 1a AO ist grundsätzlich der Bußgeld- und Strafsachenstelle zu melden. Die Bußgeld- und Strafsachenstellen werden bei der Bearbeitung dieser Fälle um eine enge Auslegung des Opportunitätsprinzips gebeten. Ordnungsvorschriften zur Vermeidung von Steuerverkürzungen müssen ernst genommen werden, damit sie ihren Zweck erfüllen können.

Im Sanktionsfall sind die Bußgelder jeweils pro Einzelfall der Verletzung der Gesetzesnorm zu bemessen.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass ein Verfahren nach § 379 Abs. 2 Nr. 1a AO nicht in Betracht kommt, wenn im Einzelfall durch das Verhalten des Großhändlers der Tatentschluss seines Abnehmers zur Steuerhinterziehung gefördert oder verstärkt wird. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Großhändler gegenüber dem Abnehmer den Eindruck erweckt, dass er durch sein konkretes Verschleierungssystem einen Teil von dessen Wareneinkaufs als Schwarzeinkauf verwenden könne. Solche Tathandlungen haben nach der BGH-Rechtsprechung den strafrechtlichen Charakter von Beihilfehandlungen (vgl. BGH vom 1.8.2000, 5 StR 624/99, BStBl 2001 II S. 79, DStR 2001 S. 96). Das dann einzuleitende Strafverfahren verdrängt das Verfahren wegen der Ordnungswidrigkeit nach § 379 Abs. 2 Nr. 1a AO.

 

Normenkette

AO 1977 § 144

AO 1977 § 379 Abs. 2 Nr. 1a

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge