Leitsatz
Auch ein Architekt kann seine Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht betreiben, wenn er Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hinnimmt (Anschluss an BFH, Urteil vom 31.5. 2001, IV R 81/99, BStBl II 2002, 276).
Normenkette
§ 2 Abs. 1 EStG , § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Ein Architekt (1930 geboren und zu 100 % erwerbsgemindert) übte seine selbstständige Tätigkeit seit Jahren nur noch ohne fremdes Personal in Kellerräumen seines Einfamilienhauses aus. Von 1978 bis 1991 hatte er gegenüber dem FA Verluste von insgesamt ca. 240000 DM erklärt, die bis 1987 anerkannt worden waren und im Rahmen des vertikalen Verlustausgleichs Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Versorgungsbezüge gemindert hatten. Ab 1988 ging das FA von Liebhaberei aus, während der Architekt auch für 1992-1996 weiter Verluste von insgesamt ca. 75 000 DM erklärte. Für die Jahre 1988-1991 und 1993-1994, in denen die Einnahmen nur zwischen 2 200 DM und 7 300 DM betragen hatten, kam es zum Rechtsstreit.
Entscheidung
Nachdem das FG die Verluste nicht anerkannt hatte, hob der BFH das Urteil auf und verwies das Verfahren an das FG zurück. Das FG habe zu Unrecht aus der objektiv negativen Gewinnprognose auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht geschlossen. Da der Architektenberuf regelmäßig auf die Erzielung von Gewinnen gerichtet sei, müsse das Fehlen der Absicht ausdrücklich festgestellt werden. Hierfür gebe es Anhaltspunkte im Hinblick auf Alter und Gesundheitszustand des Klägers, die sehr geringen Einnahmen sowie einen möglichen Zusammenhang mit der Vermietungstätigkeit.
Hinweis
1. Der BFH hat seine Rechtsprechung zur Liebhaberei bei Tätigkeiten, die regelmäßig der Gewinnerzielung dienen, in den letzten Jahren fortentwickelt. Sowohl in einer Entscheidung betreffend einen Rechtsanwalt (BFH, Urteil vom 22.4.1998, XI R 10/97, BStBl II 1998, 663) als auch in dem Urteil betreffend einen Steuerberater (BFH, Urteil vom 31.5.2001, IV R 81/99, BFH-PR 2001, 334) hat er betont, dass die objektive Verlustprognose nicht ausreicht, um daraus auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht zu schließen. Bei einer solchen Tätigkeit spreche ein Beweis des ersten Anscheins für eine Gewinnerzielungsabsicht. Dieser Anscheinsbeweis müsse widerlegt werden, indem Feststellungen dazu getroffen werden, dass die Tätigkeit aus persönlichen Gründen und Neigungen ausgeübt werde.
2. Bei einem Architekten ist, ebenso wie beim Rechtsanwalt oder Steuerberater, grundsätzlich von einer Gewinnerzielungsabsicht auszugehen. Ein Anhaltspunkt dafür, dass ausnahmsweise die Gewinnerzielungsabsicht fehlt, kann nach den Ausführungen des BFH im Besprechungsurteil darin zu sehen sein, dass ein rein künstlerisches Interesse an der Architektur verfolgt wird. Im konkreten Fall erschien es auch denkbar, dass der Kläger nach alters- und gesundheitsbedingter Einstellung der aktiven Erwerbstätigkeit nur noch zur Gestaltung der Freizeit oder um auf dem Laufenden zu bleiben in geringem Umfang tätig war. Schließlich schien es dem BFH möglich, dass ein Zusammenhang mit den Vermietungseinkünften des Klägers bestand, was allerdings die dadurch veranlassten Kosten als Werbungskosten qualifizieren und insoweit den Gesamtbetrag der Einkünfte ebenfalls mindern würde.
3. Beachten Sie, dass derartige Feststellungen zum Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht nicht immer erforderlich sind. Ist die Verlust bringende Tätigkeit typischerweise dazu bestimmt und geeignet, der Befriedigung privater Interessen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen (z.B. Freizeitgestaltung, Erzielung von nicht der Besteuerung unterliegenden Einnahmen), wird aus der objektiven Verlustprognose unmittelbar auch auf eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht geschlossen. Die Feststellungslast für eine ausnahmsweise doch bestehende Überschusserzielungsabsicht liegt in einem solchen Fall beim Steuerpflichtigen. Er muss also rechtzeitig Beweisvorsorge treffen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.9.2002, IV R 60/01