Leitsatz
Aus dem Missbrauchsverhinderungszweck der Regelung des § 8 Abs. 4 KStG a.F., der auf einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der Anteilsübertragung und der Betriebsvermögenszuführung aufbaut, folgt zwar einerseits, dass es auf die steuerrechtliche Qualifikation des zugeführten Betriebsvermögens als Anlage- oder Umlaufvermögen grundsätzlich nicht ankommen kann. Andererseits sind solche Betriebsvermögenszuführungen im Bereich des Umlaufvermögens aus dem Tatbestand auszuklammern, die sich als Ergebnis eines fortlaufenden Wirtschaftens mit dem nämlichen Betriebsvermögen darstellen bzw. sich auf ein nicht die wirtschaftliche Identität des Unternehmens prägendes Umlaufvermögen beziehen.
Normenkette
§ 8 Abs. 4 KStG 1999
Sachverhalt
Mit Vertrag von 29.06.2000 wurden 90 % des Stammkapitals der Klägerin übertragen. Lediglich einer der bisherigen Gesellschafter hielt weiterhin 10 %. Dieser Gesellschafter gewährte der GmbH 2001 ein Darlehen über rund 35 000 DM.
Das FA berücksichtigte die aufgelaufenen Verluste für 2001 mit Blick auf § 8 Abs. 4 KStG 1999 nicht; die GmbH habe im Lauf des Jahrs 2001 ihre wirtschaftliche Identität verloren. Zum einen sei der Bilanzposten "Rückdeckung Lebensversicherung" erhöht und zum anderen erstmals ein Bilanzposten "Unfertige Leistungen" gebildet worden.
Die anschließende Klage war erfolgreich (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.10.2008, 12 K 8367/05 B, Haufe-Index 2088109, EFG 2009, 216).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG-Urteil:
Zwar finde im Ausgangspunkt, was die Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens anbelange, die "harsche" gegenständliche Betrachtungsweise Anwendung. Doch schade es im Einzelfall nicht, wenn die Erhöhung des Aktivvermögens der GmbH aus der Erhöhung des Umlaufvermögens durch die eigene Geschäftstätigkeit in derselben Branche folge, sodass kein Verlust der wirtschaftlichen Identität anzunehmen sei.
Hinweis
Die FG werden immer noch reichlich von der sog. Mantelkaufregelung des § 8 Abs. 4 KStG a.F. beschäftigt. Im Urteilsfall ging es dabei (wieder einmal) um die Zuführung neuen Betriebsvermögens:
1. Nach dem Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 S. 2 KStG a.F. fehlt einer Kapitalgesellschaft die wirtschaftliche Identität u.a. dann, wenn ihr überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt wird. Dazu vertritt der BFH in auch im Urteilsfall ständiger Rechtsprechung bekanntlich die sog. "gegenständliche" Betrachtungsweise: Es ist "wertend" auf Struktur, Zusammensetzung und wirtschaftliche Bedeutung des betreffenden Betriebsvermögens abzustellen. Veräußerungen und Neuanschaffungen, selbst Ersatzbeschaffungen sind so gesehen steuerschädlich.
2. Die Finanzverwaltung wendet diese Rechtsprechung nach (über-)langem (Ver-)Zögern und vielen Rechtsstreiten mittlerweile an (vgl. BMF, Schreiben vom 04.12.2008, BStBl I 2008, 1032). Soweit in Tz. 9 des BMF-Schreibens vom 16.04.1999 (BStBl I 199, 455; s. auch noch Nichtanwendungserlass vom 17.06.2002, BStBl I 2002, 629) eine andere Auffassung vertreten wurde, wird daran nicht festgehalten.
Allerdings: § 176 AO ist zu beachten. Hat die Übertragung von mehr als 50 % der Anteile vor dem 01.01.2009 stattgefunden, kann die Tz. 9 des BMF-Schreibens vom 16.04.1999 auf Antrag aus Gründen des Vertrauensschutzes in ihrer bisherigen Fassung weiterhin zugunsten des Steuerpflichtigen angewendet werden. Damit kann in diesem Fall die Prüfung der Betriebsvermögenszuführung gem. Tz. 9 des besagten BMF-Schreibens nach saldenmäßiger statt nach gegenständlicher Betrachtungsweise erfolgen. Es kann danach darauf ankommen, ob das neue Aktivvermögen unter Verrechnung von Zugängen und Abgängen im betragsmäßigen Saldo höher als das ursprüngliche Aktivvermögen ist.
3. Auch nach der strukturell strengeren gegenständlichen Sichtweise darf aber im Einzelfall nicht über das Ziel hinausgeschossen werden. Genau diese Gefahr bestand im Urteilsfall:
Die dortige GmbH war von den neuen Anteilseignern mit unverändertem Unternehmensgegenstand fortgeführt worden. Auch dem Betriebsvermögen wurde nichts zugeführt. Lediglich der Bilanzposten "Rückdeckung Lebensversicherung" (für eine Alt-Versorgungszusage) wurde erhöht. Und es wurde erstmals ein Bilanzposten "Unfertige Leistungen" gebildet, was indes nicht auf eine Zuführung zum (Umlauf-)Betriebsvermögen "von außen", sondern auf die eigene wirtschaftliche Tätigkeit der GmbH im Rahmen des "Going concern" zurückzuführen war.
Darin sah der BFH weder eine schädliche "abweichende Prägung" des (bisherigen) Betriebsvermögens noch irgendeinen Anhalt für einen Mantelkauf-Missbrauchsverdacht. Er sah zugleich keinen Grund, den Tatbestand über die Generalklausel in § 8 Abs. 4 S. 1 KStG a.F. für derartige Sachverhalte zu erweitern.
4. Das deckt sich mit der Rechtsprechung zu Finanzanlagen: Handelt es sich lediglich um Bestandsveränderungen, die auf interne Umschichtungen von Finanzanlagen und auf eine anteilige Schuldentilgung aus dem selbst erwirtschafteten Cashflow zurückzuführen sind, dann ist die Betriebsvermögenszuführu...