Leitsatz
Nach § 12 Abs. 3 Sätze 1 und 2 UmwStG 2002 tritt im Falle einer Verschmelzung die übernehmende Körperschaft in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein und übernimmt auch einen verbleibenden Verlustvortrag i.S.d. § 10d EStG 2002, vorausgesetzt der Betrieb oder Betriebsteil, der den Verlust verursacht hat, wird über den Verschmelzungsstichtag hinaus in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt. Wird umgekehrt eine Gewinngesellschaft auf ihre Verlust-Schwestergesellschaft verschmolzen, gelten diese einschränkenden Voraussetzungen nicht. Der Verlustvortrag der übernehmenden Gesellschaft bleibt im Rahmen des § 10d EStG 2002 einschränkungslos nutzbar. Auch § 42 AO steht dem nicht entgegen.
Normenkette
§ 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2002, § 8 Abs. 4 KStG 2002, § 42 AO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2003 einen Autohandel. Ihr Stammkapital hielt die X-GmbH & Co. KG, die gleichermaßen alleinige Anteilseignerin einer anderen GmbH, der A-GmbH, – ebenfalls ein Autohandelsbetrieb – war. Im Gegensatz zu Letzterer erwirtschaftete die Klägerin mehrere Jahre lang Verluste. Nachdem der Hersteller der von ihr vertriebenen Automobile den mit ihr geschlossenen Händlervertrag gekündigt hatte, meldete sie ihr Gewerbe ab und verlegte den Ort ihrer Geschäftsleitung in die Räumlichkeiten der X-GmbH & Co. KG.
2004 übertrug die A-GmbH ihr Vermögen als Ganzes auf die Klägerin gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme. Die Übernahme des Vermögens der übertragenden Gesellschaft erfolgte im Innenverhältnis rückwirkend mit Ablauf des 31.12.2003. Zugleich änderte die Klägerin ihre Firma in A-GmbH.
Das FA hielt die bestehenden Verlustvorträge der Klägerin aufgrund der Verschmelzung nicht mehr für berücksichtigungsfähig. Er ging von einem Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO aus.
Die anschließende Klage blieb ohne Erfolg (Thüringer FG, Urteil vom 28.9.2011, 3 K 1086/09, Haufe-Index 4808767, EFG 2013, 274).
Entscheidung
Der BFH sah das anders. Er hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt: Der Tatbestand von § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2002 sei, wie unstreitig sei, nicht einschlägig. Damit scheide zugleich aber auch aus, der übernehmenden Verlustgesellschaft den Verlustabzug zu versagen. Insbesondere könne das FA sich nicht auf § 42 AO berufen.
Hinweis
Die zugrunde liegende Entscheidung des Thüringer FG betrifft seit langem "ausgelaufenes" Recht des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2002. Sie hat als der sog. Thüringer Autohändlerfall gewissen literarischen Widerhall gefunden (vgl. z.B. Hey, DStR Beihefter 2014 zu Nr. 3, 8; Riedel, FR 2013, 37; Olbing, GmbH-StB 2014, 19) und deswegen soll auch das nachfolgende BFH-Urteil der Öffentlichkeit nicht bloß als "NV-Entscheidung" (BFH/NV 2014, 904) kundgetan sein:
1. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 UmwStG 2002 tritt im Falle einer Verschmelzung die übernehmende Körperschaft in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein und übernimmt auch einen verbleibenden Verlustvortrag i.S.d. § 10d EStG 2002, vorausgesetzt der Betrieb oder Betriebsteil, der den Verlust verursacht hat, wird über den Verschmelzungsstichtag hinaus in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt.
2. Fehlte es an diesen tatbestandlichen Erfordernissen, dann ist § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2002 nicht einschlägig. Zugleich scheidet es dann aber auch aus, den Verlustabzug aus anderen Gründen zu versagen.
Denn mit den Verlustabzugsbeschränkungen, wie sie sich früher aus besagtem § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2002 oder auch aus § 8 Abs. 4 KStG 2002 ergaben, wollte der Gesetzgeber den "Verlusthandel" mittels Verschmelzung oder Verkauf von GmbH-Anteilen verhindern. Dem liegen bewusste Entscheidungen zugrunde und ebenso bewusst formulierte Tatbestandsvoraussetzungen.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, mögen sie greifen und die gesetzgeberische Absicht umsetzen. Sind sie aber nicht erfüllt, dann lässt sich ihnen weder eine allgemeine missbrauchsvermeidende Wertung noch eine probate Gestaltungsgegenwehr entnehmen:
"Hat der Gesetzgeber" – so der BFH – "ein missbrauchsverdächtiges Feld gesichtet und durch eine Spezialvorschrift abgesteckt, legt er für diesen Bereich die Maßstäbe fest und sichert eine einheitliche Rechtsanwendung, die Gestaltungssicherheit gewährleistet". Insbesondere für § 42 AO bleibt dann kein Raum her. Es gilt der Vorrang der Regelungsspezialität vor der Regelungsallgemeinheit.
Das alles entspricht langjähriger Spruchpraxis des BFH. Es verdient aber, wie der Urteilsfall zeigt, immer noch wieder Beachtung und schließt nicht aus, dass einzelne FG in gegenläufiger Weise entscheiden.
3. Für die Situation des Streitfalles bedeutet das:
Wird eine Gewinngesellschaft auf ihre Verlust-Schwestergesellschaft verschmolzen, schlägt der Missbrauchsvorwurf nicht durch. Der ...