Leitsatz
Über die Verrechenbarkeit von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG, die im Entstehungsjahr nicht ausgeglichen werden können, ist im Jahr der Verrechnung zu ?entscheiden; ein gesondertes Feststellungsverfahren sieht die Vorschrift nicht vor (entgegen BMF, Schreiben vom 5.10.2000, IV C 3 – S 2256 – 263/00, BStBl I 2000, 1383, Tz. 42).
Normenkette
§ 10d Abs. 4, § 23 Abs. 3 EStG
Sachverhalt
Der Kläger gab in seiner ESt-Erklärung für das Streitjahr 2000 an, neben Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit einen Gesamtgewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG von weniger als 1.000 DM erzielt zu haben. Nachdem ihn das FA erklärungsgemäß veranlagt hatte und der ESt-Bescheid bestandskräftig geworden war, legte der Kläger eine Verlustaufstellung für das Streitjahr mit dem Antrag vor, den ausgewiesenen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften i.H.v. 5.036 DM festzustellen. Diesen Antrag lehnte das FA unter Hinweis auf die Bestandskraft des ESt-Bescheids für das Jahr 2000 ab.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG als unbegründet ab. Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH sieht § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ein gesondertes Feststellungsverfahren über die Berücksichtigung von in anderen Jahren verrechenbaren Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht vor, so dass über die Verrechnung erst in denjenigen Veranlagungszeiträumen zu entscheiden sei, in denen positive Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt würden.
Hinweis
1. Nach § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG dürfen Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur bis zur Höhe des Gewinns, den ein Steuerpflichtiger im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen werden; sie dürfen nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG "mindern" diese Verluste nach Maßgabe des § 10d EStG die (positiven) Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat oder erzielt.
Der Wortlaut der Regelung ordnet damit lediglich an, dass die im Entstehungsjahr nicht ausgleichsfähigen Verluste als Minderungsposten bei positiven Einkünften aus solchen Geschäften in anderen Veranlagungszeiträumen zu berücksichtigen sind. "Nach Maßgabe des § 10d" erfolgt eine solche Minderung schon dann, wenn der Verlust bis zu einem Betrag von 2 Mio. DM im Vorjahr der Verlustentstehung bei entsprechend positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften angesetzt wird (entsprechend der Regelung für den Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung) und im Übrigen vorgetragen wird (vgl. § 10d Abs. 2 EStG für Verluste aus anderen Einkunftsarten).
Ein gesondertes Feststellungsverfahren für negative Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften ist im Übrigen – anders als in § 15a Abs. 4 EStG für Verluste bei beschränkter Haftung – weder in § 23 EStG noch in § 10d EStG geregelt. Somit kann dem Wortlaut der Vorschrift – auch nicht im Weg teleologischer Auslegung – keine Entscheidung des Gesetzgebers für ein gesondertes Feststellungsverfahren über noch ausgleichsfähige Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften entnommen werden (vgl. zur Notwendigkeit einer solchen Entscheidung Großer Senat des BFH, Beschluss vom 11.4.2005, GrS 2/02, BFH-PR 2005, 343). Sie ist insbesondere nicht den Gesetzesmaterialien zu entnehmen.
Die Neufassung des § 23 Abs. 3 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 sollte nämlich nur die Verlustverrechung bei sonstigen Leistungen für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle erweitern, nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 30.9.1998, 2 BvR 1818/91 (BVerfGE 99, 88) das frühere Verlustausgleichsverbot des § 22 Nr. 3 EStG für verfassungswidrig erklärt hatte; im Übrigen sollte es nach der Gesetzesbegründung "dabei bleiben, dass Verluste aus sonstigen Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG künftig nur mit positiven Einkünften aus dieser Untereinkunftsart verrechnet werden dürfen" (BTDrucks. 14/443, S. 34).
Folglich muss über die Verrechnung nicht ausgleichsfähiger Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG in dem VZ entschieden werden, in dem verrechenbare positive Einkünfte aus solchen Geschäften erzielt werden (vgl. zur entsprechenden Rechtslage beim Verlustabzug nach § 10d EStG a.F. vor Einführung des gesonderten Feststellungsverfahrens BFH, Urteil vom 27.9.1988, VIII R 432/83, BStBl 1989 II, 225, m.w.N.).
2. Wichtig für die Praxis ist, dass diese Verluste selbst dann noch nachträglich verrechnet werden können, wenn die Pflichtigen davon abgesehen haben, weil sie und das FA von der Notwendigkeit eines gesonderten Feststellungsverfahrens ausgegangen sind. Rechtsgrundlage für diese Nachholung ist nach Eintritt der Bestandskraft von Einkommensteuerbescheiden für die VZ mit "Verrechnungspot...