Ein ähnliches Problem stellt sich auch bei der Einfuhrumsatzsteuer. In Fachkreisen wird derzeit darüber diskutiert, ob Unregelmäßigkeiten bei der Einfuhr ein "Missbrauch" i.S.d. EuGH-Rechtsprechung und damit Grund für die Versagung des Vorsteuerabzugs sind.
a) Allgemein zum Vorsteuerabzug bei der Einfuhrumsatzsteuer
Grundsätzlich kann ein Unternehmer nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG "die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind" zum Abzug bringen. Das Gesetz stellt als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug auf die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer ab.
Gemäß Abschnitt 15.8 Abs. 1 UStAE ist die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer durch zollamtlichen Beleg nachzuweisen. Gemäß Abschnitt 15.11 Abs. 1 Nr. 2 UStAE ist dafür der Einfuhrabgabenbescheid oder ein vom zuständigen Zollamt bescheinigter Ersatzbeleg vorzulegen. Die tatsächliche Entrichtung ist hingegen nicht gesetzliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug.
b) Literaturmeinungen
Madaus sieht – trotz Nichterwähnung dieser Konstellation in § 25f UStG – generell in der Nicht- oder Falschabgabe von Umsatzsteuererklärungen einen Grund für die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts. Er kritisiert in diesem Zusammenhang die oben bereits erwähnte BGH-Entscheidung. Trotz Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Einfuhrumsatzsteuer anerkannte der BGH den Vorsteuerabzug. Madaus hält dieser Entscheidung entgegen: Es sei "nicht selbst erklärend, wieso die fahrlässige Einbindung in die Steuerhinterziehung einer anderen Person missbräuchlich ist und damit den Vorsteuerabzug sperrt, aber die vorsätzliche eigene Steuerhinterziehung nicht missbräuchlich sein solle und somit den Vorsteuerabzug erlaube. Auch die Nicht- bzw. Falschabgabe einer Umsatzsteuererklärung könne die genaue Erhebung einer Steuer verhindern und demzufolge das ordnungsgemäße Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in Frage stellen. Somit verwehre das Unionsrecht es nicht, solche Verstöße als Steuerhinterziehung anzusehen und in einem solchen Fall das Abzugsrecht für die Vorsteuer zu versagen."
Reiß und Nieskens hingegen führen aus, dass Missbrauch durch Vorsteuerabzug bei der Einfuhrumsatzsteuer nicht denkbar sei, denn ein Vorsteuerabzug setze voraus, dass die Einfuhrumsatzsteuer durch zollamtlichen Beleg nachgewiesen ist. Im Falle der Hinterziehung könne sich daher das Problem der missbräuchlichen Berufung auf den Vorsteuerabzug nicht stellen, denn schon tatbestandlich ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Daher fehle in der Aufzählung des § 25f Abs. 1 UStG – zutreffenderweise – die Versagung des Vorsteuerabzugs für hinterzogene Einfuhrumsatzsteuer.
c) Rechtsprechung
Der Auffassung von Reiß und Nieskens entspricht auch die aktuelle finanzgerichtliche Rechtsprechung, die den Vorsteuerabzug bei der Einfuhrumsatzsteuer – unabhängig von Unregelmäßigkeiten bei der Anmeldung der Einfuhrumsatzsteuer – bejaht.
So entschied das FG Hamburg mit Urteil vom 19.12.2012 (allerdings aufgehoben durch den BFH, Az. V R 8/13, dazu s.u.), dass die festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG abzugsfähig ist. Unregelmäßigkeiten bei der Anmeldung der Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen des Zollverfahrens stünden dem nicht entgegen.
In dem zugrunde liegenden Sachverhalt entrichtete die Klägerin (neben den festgesetzten Einfuhrzöllen) die Einfuhrumsatzsteuer nur teilweise, begehrte jedoch gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG einen Vorsteuerabzug. Das FG Hamburg begründete das Vorsteuerabzugsrecht mit richtlinienkonformer Auslegung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG. Daraus ergebe sich, dass die wirksam festgesetzte und deswegen entrichtete bzw. (alternativ) "geschuldete" Einfuhrumsatzsteuer abzugsfähig sei (vgl. Art. 168 Buchst. 2 i.V.m. Art. 201 MwStSystRL).
Entgegen dem damaligen Wortlaut in § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG setze das Unionsrecht für den Vorsteuerabzug nicht voraus, dass die Einfuhrumsatzsteuer entrichtet wurde. Denn der Steuerpflichtige soll durch den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Dazu verpflichte der Grundsatz der Neutralität, wonach sichergestellt sein muss, dass es im zwischenunternehmerischen Bereich nicht zu einer Belastung mit Umsatzsteuer kommt. Eine Ausnahme sei nur im Missbrauchsfall gerechtfertigt. Daher stelle der Wortlaut in der MwStSystRL alternativ auf "entrichtete" oder "geschuldete" Einfuhrumsatzsteuer ab.
Es verbiete sich daher – wie das FG Hamburg au...