Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz
5.1 Anwartschaften und Ansprüche
Auszugleichen sind Anwartschaften auf Versorgungen und Ansprüche auf laufende Versorgungen. Anders als früher werden im VersAusglG Aussichten auf eine Versorgung nicht mehr genannt. Bei diesen bestand noch kein Rechtsanspruch auf eine Versorgung. Sie werden als Anwartschaften erfasst. Der Versorgungsausgleich betrifft auch bereits bestehende Versorgungsrechte. Ein Rentner oder Pensionär ist deshalb ebenso ausgleichspflichtig wie ein noch im Berufsleben stehender Arbeitnehmer oder Beamter.
Wurde bereits bei Eheschließung eine Altersrente oder eine Rente wegen Invalidität bezogen, unterfällt diese Rente einschließlich der während der Ehezeit eingetretenen Steigerungen nicht dem Ausgleich. Die Rente wurde nämlich nicht in der Ehezeit erworben.
5.2 Ausgleichspflichtige Anrechte
Die für die Durchführung des Versorgungsausgleichs wichtigsten Versorgungssysteme sind die gesetzliche Rentenversicherung, die Beamtenversorgung, die betriebliche Altersversorgung, die private Rentenversicherung und die berufsständischen Versorgungen.
5.2.1 Gesetzliche Rentenversicherung
Die vom Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Durchführung des Versorgungsausgleichs zu ermittelnde monatliche Rente, die der Berechtigte zu beanspruchen hätte, wenn er am Stichtag die Regelaltersgrenze des 65. bzw. 67. Lebensjahres erreichen würde, ergibt sich aus der Multiplikation der persönlichen Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 SGB VI) mit dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert. Dabei drücken die Entgeltpunkte die Lohnbezogenheit der Rente, d. h. das Verhältnis zwischen dem individuellen Bruttojahresarbeitsentgelt und dem Durchschnittsentgelt aller Versicherten des gleichen Jahres aus. Der Rentenartfaktor (§ 67 SGB VI) wirkt sich bei der Altersrente und der Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht aus; er hat nur Bedeutung bei einer Rente wegen teilweise Erwerbsminderung und der Witwenrente. Der aktuelle Rentenwert (§§ 68 Abs. 1, 69 Abs. 1 SGB VI) ist der Dynamisierungsfaktor. Aus dem so ermittelten Betrag wird durch Multiplikation mit den Ehezeitmonaten und Division durch die Summe aller rentenrechtlichen Zeiten der in den Versorgungsausgleich einzustellende Ehezeitanteil der Monatsrente errechnet.
Der Ausgleichspflichtige kann die Kürzung seiner Anwartschaften durch Beitragszahlung abwenden (§ 187 SGB VI). Hierbei ist zu beachten, dass derzeit zur Begründung eines monatlichen Rentenanspruchs von 100 EUR ein Geldbetrag von ca. 22.100 EUR erforderlich ist.
Erhält der Ausgleichspflichtige bereits eine Rente, wird diese sofort gekürzt. Das frühere Rentnerprivileg, wonach die Kürzung erst eintrat, wenn der Berechtigte selbst eine Rente erhielt, ist entfallen. Dies führt nicht zur groben Unbilligkeit der Durchführung des Versorgungsausgleichs. Steht der Ausgleichspflichtige kurz vor Vollendung des Rentenalters und ist der Ausgleichsberechtigte jünger, sollte deshalb die Ehescheidung so lange zurückgestellt werden, bis der Ausgleichsberechtigte eine Rente bezieht.
Kürzungen von Renten werden nach einer rechtskräftigen Entscheidung über den Versorgungsausgleich nur mehr in dem Umfang ausgesetzt, in dem gesetzliche Unterhaltspflichten tatsächlich bestehen (§§ 33, 34 VersAusglG). Parteien dieses Verfahrens sind nur der Rentner und der Versorgungsträger. Der andere Partner ist nicht Verfahrensgegner, weil im Verfahren um die Kürzung seine Interessen parallel mit denen des Rentner-Partners laufen.
5.2.2 Beamtenversorgung
Bei der Berechnung der Versorgung aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (Beamte, Richter und Soldaten) ist von dem Betrag auszugehen, der sich am Ende der Ehezeit als Versorgung ergäbe, wenn der Berechtigte in diesem Zeitpunkt die Altersgrenze erreicht hätte. Für die Berechnung der Höhe sind die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge (Grundgehalt, Familienzuschlag sowie sonstige ruhegehaltsfähige Dienst- und Leistungsbezüge) und die ruhegehaltsfähige Dienstzeit maßgebend.