a) Allgemeines
Die Finanzbehörde kann die Durchsetzung von nahezu allen Verwaltungsakten im Besteuerungsverfahren mittels Zwangsgeld erzwingen. Hierzu gehört insb. die Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung. Damit ist das Zwangsgeldverfahren für die Finanzverwaltung das zweite Mittel der Wahl, um die Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erklärungsabgabe anzuhalten. Das Zwangsgeld ist keine Strafe, sondern ist ein Mittel zur Willensbeugung, und gehört ebenso wie der Verspätungszuschlag zu den steuerlichen Nebenleistungen gem. § 3 Abs. 4 AO.
b) Voraussetzungen
Gemäß § 328 Abs. 1 S. 1 AO kann ein Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer Handlung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln, u.a. mit Zwangsgeld, durchgesetzt werden.
Verwaltungsakt: Die Abgabe einer Steuererklärung ist eine Handlung i.S.d. § 328 Abs. 1 S. 1 AO, soweit eine Verpflichtung dazu besteht und durch Verwaltungsakt zur Abgabe aufgefordert worden ist (BFH v. 19.8.2021 – VII R 34/20, BFH/NV 2022, 214; Werth in Klein, AO, § 328 Rz. 6). Die in den Einzelsteuergesetzen normierte, abstrakt-generelle Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen stellt keine Regelung im Einzelfall dar. Sie kann dementsprechend nicht bereits als solche mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, sondern bedarf einer Konkretisierung und Individualisierung durch einen Verwaltungsakt, der erst die Grundlage für den Einsatz von Zwangsmitteln bildet (BFH v. 16.11.2011 – X R 18/09, BStBl. II 2012, 129 = AO-StB 2012, 15). Dieser liegt wiederum erst dann vor, wenn das FA den einzelnen Steuerpflichtigen zur Abgabe einer Steuererklärung auffordert, weil dieser seiner gesetzlichen Pflicht nicht nachgekommen oder unklar ist, ob eine Erklärungspflicht überhaupt besteht. Beachten Sie: Nach diesen Grundätzen dürfte die "Erinnerung", also die Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung, die regelmäßig von den Finanzämtern kurz nach dem Ablauf einer gesetzlichen Frist an diejenigen Steuerpflichtigen versendet wird, die ihrer Abgabeverpflichtung noch nicht nachgekommen sind, einen entsprechenden Verwaltungsakt darstellen. Aber auch mit dem Setzen einer Abgabefrist, die von den gesetzlichen Abgabefristen abweicht, nimmt die Finanzbehörde die Regelung eines Einzelfalles vor, so dass auch in solchen Fallkonstellationen der erforderliche Verwaltungsakt vorliegt (BFH v. 19.8.2021 – VII R 34/20, GmbHR 2022, 441).
c) Höhe des Zwangsgeldes
§ 329 AO legt die maximale Größe des einzelnen Zwangsgelds auf 25.000 EUR fest. Bei der erstmaligen Androhung dürfte der Höchstsatz allerdings grundsätzlich ermessensfehlerhaft sein (FG Bremen v. 12.1.1998 – 297024K 2, EFG 1998, 623).
Das Zwangsgeld kann zur Durchsetzung einer bestimmten Anordnung mehrfach festgesetzt werden, hierbei kann und darf der Höchstbetrag insgesamt überschritten werden.
d) Androhung des Zwangsgeldes
Bevor ein Zwangsmittel im Allgemeinen und Zwangsgeld im Besonderen angewandt wird, muss es dem Steuerpflichtigen in bestimmter Höhe angedroht und ihm eine angemessene Frist zur Vornahme der geforderten Handlung – hier der Abgabe der Steuererklärung – gesetzt werden, § 332 AO. Fehlt die Androhung, ist die in § 333 AO geregelte Festsetzung des Zwangsgeldes rechtswidrig und muss aufgehoben werden. Das Gleiche gilt, wenn die Androhung keine oder eine unangemessene Frist enthält.
Die Länge der angemessenen Frist richtet sich nach den Begebenheiten des Einzelfalls, beträgt i.d.R. aber ca. vier Wochen und kann nach den allgemeinen Grundsätzen des § 109 AO verlängert werden, z.B. bei schwerer Krankheit des Steuerpflichtigen (Trinks, SSP 2020, 015–016).
Beraterhinweis Die Steuererklärungsfrist wird durch die Fristsetzung in der Androhung nicht tangiert und insb. auch nicht verlängert. Wenn der Steuerpflichtige seine Steuererklärung innerhalb der Androhungsfrist abgibt, vermeidet er die Festsetzung des Zwangsgeldes, die Festsetzung eines Verspätungszuschlages bleibt jedoch zulässig.
Die Androhung des Zwangsgeldes muss grundsätzlich schriftlich erfolgen (§ 332 Abs. 1 S. 1 und 2 AO) und für jede zu vollstreckende Handlung – d.h. für jede abzugebende Steuererklärung – eine bestimmte Höhe des Zwangsgeldes anordnen (Werth in Klein, AO, § 332 Rz. 4 und 5).
Gemäß § 332 Abs. 3 AO kann wegen derselben Verpflichtung eine erneute Androhung erfolgen, wenn die gesetzte Frist verstrichen ist, ohne dass der Steuerpflichtige seiner Pflicht nachgekommen ist, d.h. ohne dass er die angeforderte Steuererklärung abgegeben hat. Das angedrohte Zwangsgeld kann hierbei erhöht werden. Dies bedeutet, dass die Finanzbehörde nach erfolgloser Androhung des ersten Zwangsgeldes z.B. gleichzeitig mit der Festsetzung des Zwangsgeldes ein weiteres Zwangsgeld androhen kann. Auf diese Weise wird es für den Steuerpflichtigen immer teurer, wenn er die Steuererklärung weiterhin nicht abgibt.
Rechtsschutz: Die Androhung eines Zwangsmittels ist ein selbständiger Verwaltungsakt (BFH v. 23.11.1999 – VII R 38/99, BFH/NV 2000, 549; Werth in Klein, AO, § 332 Rz. 3). Dementsprechend sind der Einspruch und die Anfechtungsklage gegen sie statthaft. Vorläufiger Rechtsschutz wird durch Aussetzung der Vollziehung ...