Sachverhalt
Mit ihrer Klage vom 16.7.2003 warf die EU-Kommission dem Vereinigten Königreich einen Verstoß gegen Artikel 2 Abs. 1, 5 Abs. 4 Buchst. c, 12 Abs. 3 und 16 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie vor. Die Klage richtete sich gegen den im Vereinigten Königreich angewendeten ermäßigten Umsatzsteuersatz beim Versteigerungsverkauf von Kunstgegenständen, Antiquitäten und Sammlungsstücken, die zuvor eingeführt worden sind und sich in einem Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung befinden. Nach Artikel 28 Abs. 1a der 6. EG-Richtlinie durfte das Vereinigte Königreich bis zum 30.6.1999 bei der Einfuhr von Kunstgegenständen einen nicht unter 2,5 % liegenden ermäßigten Steuersatz anwenden. Danach musste das Vereinigte Königreich den Normalsatz oder einen (auf der Basis von Artikel 11 Teil B Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie) nicht unter 5 % liegenden ermäßigten Steuersatz auf diese Einfuhren anwenden.
Im Vereinigten Königreich werden Kunstgegenstände im Hinblick auf ihre etwaige Versteigerung im Rahmen des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung bei vollständiger Befreiung von den Eingangsabgaben eingeführt. Wird der Kunstgegenstand nach der Versteigerung endgültig in die EU eingeführt, wird die Umsatzsteuer anhand des bei der Versteigerung erzielten Preises einschließlich der Gewinnspanne des Auktionators berechnet. Dieser Betrag wird dann in Anwendung von Artikel 11 Teil B Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie dergestalt herabgesetzt, dass der effektive Steuersatz bei 5 % der anwendbaren Besteuerungsgrundlage liegt. Nachdem die Kommission festgestellt hatte, dass das Vereinigte Königreich die Gewinnspanne der Auktionatoren bei der Versteigerung nicht mit dem Normalsatz belegte, erhob sie Klage.
Die Kommission war der Auffassung, die Gewinnspanne des Auktionators bei den eingeführten Gegenständen müsse mit dem Normalsatz besteuert werden. Nach Auffassung der Kommission gibt es in umsatzsteuerlicher Hinsicht in den Fällen von Einfuhr und Verkauf durch Versteigerung zwei steuerbare Vorgänge: Eine Einfuhr von Gegenständen nach Artikel 7 Abs. 1 und eine Lieferung von Gegenständen nach Artikel 26a der 6. EG-Richtlinie.
Entscheidung
Der EuGH hat das Vereinigte Königreich im Sinne der Klage verurteilt. Artikel 16 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie bestimmt, dass alle unter dem Verfahren der vorübergehenden Verwendung ausgeführten Umsätze so zu besteuern sind, als ob sie im Inland nach der endgültigen Einfuhr ausgeführt worden wären. Die Versteigerung von Kunstgegenständen im Rahmen der vorübergehenden Verwendung, an die sich die Einfuhr anschließt, ist als Inlandsumsatz anzusehen. Daher sind, wenn ein Kunstgegenstand unter der Regelung der vorübergehenden Verwendung versteigert und im Anschluss an diesen Umsatz in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt wird, die Versteigerung und die Einfuhr voneinander zu unterscheiden und beide Umsätze getrennt zu besteuern. Somit ist zur Besteuerung sowohl der Einfuhr als auch der Versteigerung gemäß den in Artikel 16 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie enthaltenen Voraussetzungen bei dem Preis, zu dem der Zuschlag erteilt wurde, zwischen dem Teil zu trennen, der der Provision (Gewinnspanne) des Auktionators entspricht, und dem Teil, der dem Zollwert des eingeführten Gegenstands entspricht. Der Teil, der der Provision entspricht, stellt die Besteuerungsgrundlage für die Versteigerung dar, die der Differenzbesteuerung und dem Normalsteuersatz unterliegt. Der andere Teil entspricht dem Zollwert der Ware, die der Einfuhrbesteuerung unterliegt und zu einem im Vereinigten Königreich gemäß Artikel 11 Teil B Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie geltenden ermäßigten effektiven Satz besteuert wird.
Das EuGH-Urteil ist folgerichtig. Aufgrund der mit Wirkung vom 1.1.1995 in die 6. EG-Richtlinie eingefügten Bestimmungen der Richtlinie 94/5/EG des Rates zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuer-Systems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG -Sonderregelung für Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten (ABL. EG 1994 Nr. L 60/16) - sog. Gebrauchtwarenrichtlinie -, ist die Möglichkeit entfallen, für Kunstgegenstände, Antiquitäten und Sammlungsstücke den Steuersatz selbst festzulegen. Seit dem 1.1.1995 sind solche Umsätze grundsätzlich nach Artikel 12 Abs. 3 Buchst. a erster Unterabsatz der 6. EG-Richtlinie dem allgemeinen Steuersatz zu unterwerfen. Nach Artikel 12 Abs. 3 Buchst. c und Artikel 11 Teil B Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie haben die Mitgliedstaaten lediglich die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes insbesondere bei der Einfuhr von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken oder Antiquitäten aus Drittstaaten vorzusehen.
Hinweis
Für das deutsche Recht könnte sich aus der Entscheidung Änderungsbedarf ergeben. In der Gebrauchtwarenrichtlinie war Deutschland im Rahmen einer bis zum 30.6.1999 befristeten Sonderregelung zwar die Möglichkeit eröffnet worden, bei Lieferungen von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten anstelle der Differenzbesteuerung das a...