Leitsatz

1. Im Fall der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils sind neben dem Festkaufpreis zu leistende gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisbestandteile erst im Zeitpunkt des Zuflusses als nachträgliche Betriebseinnahmen zu versteuern. Sie erhöhen den im Jahr der Veräußerung entstandenen Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes nicht (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. Dies gilt auch für sogenannte Earn-Out-Klauseln, bei denen das Entstehen der sich hieraus ergebenden variablen Kaufpreisbestandteile sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss ist.

 

Normenkette

§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2, § 24 Nr. 2 EStG, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO

 

Sachverhalt

An der Klägerin, einer GmbH & Co. KG, war die Beigeladene (B) zu 100 % als Kommanditistin beteiligt. Sie hielt auch alle Anteile an der vermögensmäßig an der Klägerin nicht beteiligten Komplementär-GmbH. 2010 veräußerte B ihren Kommanditanteil sowie sämtliche Anteile an der Komplementär-GmbH. Neben einem festen Kaufpreis vereinbarte sie mit dem Erwerber einen "zusätzlichen Kaufpreis in Form eines variablen Entgelts". Grundlage der Ermittlung des variablen Entgelts war die in den Geschäftsjahren 2011, 2012 und 2013 erzielte (näher definierte) Rohmarge. Überstieg diese im jeweiligen Geschäftsjahr einen bestimmten Betrag, sollte B für dieses Jahr einen Betrag von 533.000 EUR erhalten, unterschritt oder entsprach sie dem Betrag, sollte B für das betreffende Jahr kein variables Entgelt erhalten. Im Bereich zwischen einer Rohmarge von … EUR und … EUR errechnete sich das variable Entgelt linear zwischen 0 EUR und 533.000 EUR. Aufgrund der Vereinbarung kam es in den Jahren 2011 bis 2013 zu Kaufpreiszahlungen i.H.v. insgesamt rund 800.000 EUR, die B im jeweiligen VZ als laufende Einkünfte erfasste. Das FA war hingegen der Auffassung, dass diese Zahlungen als nachträgliche Kaufpreiszahlungen gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO im Jahr der Veräußerung (2010) zu berücksichtigen seien, und erließ für das Jahr 2010 (Streitjahr) einen entsprechenden Bescheid. Das FG (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.3.2021, 5 K 2442/17, Haufe-Index 14469798, EFG 2021, 1199) gab der Klage der B statt.

 

Entscheidung

Der BFH wies die hiergegen gerichtete Revision des FA aus den sich aus den Praxis-Hinweisen ergebenden Gründen als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Der Veräußerungsgewinn i.S.d. § 16 Abs. 1 EStG entsteht grundsätzlich im Veräußerungszeitpunkt, d.h. mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den wesentlichen Betriebsgrundlagen, und zwar unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt. Der Veräußerungsgewinn ist damit regelmäßig stichtagsbezogen auf den Veräußerungszeitpunkt zu ermitteln. Später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis sind so lange und so weit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat.

2. Eine Ausnahme gilt bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen, wozu auch variable Kaufpreisbestandteile (sog. Earn-Out-Zahlungen) gehören. In diesen Fällen ist auf die Realisation des Veräußerungsentgelts abzustellen und keine stichtagsbezogene Betrachtung (Rückwirkung auf den Veräußerungszeitpunkt) anzustellen, da der Veräußerer die Gewinne erst im Zuflusszeitpunkt erzielt. Denn bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen handelt es sich um aufschiebend bedingte Kaufpreisansprüche (§ 158 Abs. 1 BGB), bei denen im Zeitpunkt der Veräußerung weder feststeht, ob rechtlich in einem der Folgejahre eine Kaufpreisforderung entsteht, noch, wie hoch diese sein wird. Zudem steht bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen eine stichtagsbezogene Ermittlung des Veräußerungsgewinns im Widerstreit zur Systematik der §§ 16, 34 EStG sowie zum Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 9.11.2023 – IV R 9/21

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