Leitsatz
1. Das FG verstößt gegen den klaren Inhalt der Akten, wenn es seine Entscheidung maßgeblich auf eine Zeugenaussage oder Unterlagen stützt, wobei weder die protokollierten Beurkundungen des Zeugen noch die in den Akten befindlichen Unterlagen die durch das FG gezogenen Schlussfolgerungen stützen.
2. Beantragt der Beschwerdeführer im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nur eine teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit er beschwert ist, betrifft die Entscheidung aber einen nicht teilbaren Streitgegenstand, ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass die vollständige Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Streitsache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG begehrt wird.
Normenkette
§ 96 Abs. 1 Halbsatz 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 6 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin betrieb bis 2002 ein Einzelunternehmen und hatte eine im Inland angemietete Wohnung als Wohnsitz. Bei dem zuständigen Einwohnermeldeamt war die Klägerin bis Ende 2011 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Nach den Feststellungen des FG hatte die Klägerin bis 2008 Arzttermine wahrgenommen, Geschäfte aufgesucht und vom Festnetzanschluss der Wohnung Telefongespräche geführt. Ein nach den Ermittlungen der Steuerfahndung gefertigtes Bewegungsprofil der fraglichen Jahre zeigte nach Auffassung des FA, dass sich die Klägerin während der entscheidungserheblichen Zeiträume im Inland aufgehalten und ihren Lebensmittelpunkt auch dort gehabt hatte.
In den Jahren 2007, 2008 und 2010 bis 2012 erhielt die Klägerin Zuwendungen von X. Nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens gegen die Klägerin und der Durchsuchung der inländischen Wohnung setzte das FA gegenüber der Klägerin für die bezeichneten Jahre Schenkungsteuer fest. Das FA ging davon aus, dass die Klägerin einen inländischen Wohnsitz unterhalten hatte.
Nach erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren hatten auch die Klagen der Klägerin keinen Erfolg (vgl. Hessisches FG, Urteile vom 24.10.2017, 1 K 431/16, 1 K 1140/16, 1 K 1150/16, 1 K 1152/16, 1 K 1156/16). Das FG hörte zur Dauer und zum Umfang der Nutzung der inländischen Wohnung den Zeugen E. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Inlandsaktivitäten der Klägerin durch die glaubhafte Aussage des Zeugen E i.V.m. Protokollen der Firma S bestätigt wurden. Nach Aussage des Zeugen E hatte die Klägerin stets die täglichen Kontrolltermine in den Zeiträumen abbestellt, in denen sie sich selbst in ihrer Wohnung aufgehalten hatte.
Gegen die Urteile der Vorinstanz hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerden erhoben.
Entscheidung
Auf die Beschwerde der Klägerin hat der BFH die Urteile des FG aufgehoben und die Sachen nach § 116 Abs. 6 FGO an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Der BFH weist zunächst darauf hin, dass eine teilweise Aufhebung von Urteilen – "zugunsten" der Klägerin – nicht in Betracht kommt. Das FA hat für mehrere Zuwendungen an die Klägerin in den Streitjahren die Schenkungsteuer jeweils in einem Betrag festgesetzt.
Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass das FG in den angefochtenen Urteilen gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen hat, indem es seine Entscheidungen u.a. auf eine Aussage des Zeugen E und die Protokolle der S gestützt hat. Denn weder die protokollierten Aussagen noch die in den Akten befindlichen Protokolle ergaben, dass die Klägerin zu bestimmten Zeiten keine Kontrollen der inländischen Wohnung durchführen ließ. Beispielsweise hatte der Zeuge E bekundet, wie oft die Klägerin den Kontrolldienst der S abgestellt habe, könne er nicht mehr sagen.
Für die Annahme einer unbeschränkten Steuerpflicht ist es ggf. erforderlich, dass sich die Klägerin als Deutsche zum Zeitpunkt der Ausführung der Zahlungen nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten hat, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben. Daher würde es ausreichen, wenn die Klägerin zumindest bis Juli 2007 einen inländischen Wohnsitz hatte.
Für das weitere Verfahren weist der BFH das FG auf folgende Umstände hin: Es muss berücksichtigt werden, dass ein Steuerpflichtiger gleichzeitig mehrere Wohnsitze haben kann. Die Beurteilung, ob Indizien auf eine Beibehaltung und Nutzung der Wohnung schließen lassen könnten, liegen weitgehend auf tatsächlichem Gebiet; das FG wird diese Tatsachen festzustellen und zu würdigen haben. Nicht ausreichend ist die pauschale Angabe, die Klägerin habe bis 2008 eine Wohnung regelmäßig genutzt. Erforderlich sind vielmehr Angaben zum Zeitpunkt (Monat) und der konkreten Dauer (Tage, Wochen), die für eine Nutzung der inländischen Wohnung durch die Klägerin sprechen. Als Indizien können die vom Festnetzanschluss geführten Telefongespräche und der Wasser- und Stromverbrauch der Wohnung herangezogen werden.
Hinweis
Nach § 2 ErbStG in wechselnden Fassungen ist prinzipiell die subjektive unbeschränkte Steuerpflicht zugunsten des deutschen Fiskus gegeben, wenn der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer ein Inländer ist. Als Inländer gelten nat...