Leitsatz
§ 8b Abs. 5 KStG 2002 i.d.F. bis zur Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum StVergAbG vom 22.12.2003 verstößt sowohl gegen die gemeinschaftsrechtliche Grundfreiheit der freien Wahl der Niederlassung nach Art. 43 und 48 EG als auch gegen die Grundfreiheit des freien Kapitalverkehrs nach Art. 56 und 58 EG und ist deswegen auch gegenüber sog. Drittstaaten unanwendbar (Bestätigung des Senatsurteils vom 09.08.2006, I R 95/05, BFH/NV 2006, 2379, BFH/PR 2007, 21; teilweise Abweichung zum BMF-Schreiben vom 21.03.2007, BStBl I 2007, 302).
Normenkette
§ 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F., Art. 43, Art. 48, Art. 56, Art. 57 Abs. 1, Art. 58 Abs. 3 EG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Beteiligungsgesellschaft in der Rechtsform der GmbH, vereinnahmte in den Streitjahren 2001 und 2002 Dividendenerträge aus Beteiligungen an jeweils einer spanischen, britischen, italienischen sowie US-amerikanischen und taiwanesischen Kapitalgesellschaft von insgesamt rd. 8,8 Mio. DM (2001) und rd. 4 Mio. EUR (2002), davon im Streitjahr 2001 aus der (100 %igen) US-amerikanischen Beteiligung i.H.v. rd. 3,4 Mio. DM und im Streitjahr 2002 aus der US-amerikanischen Beteiligung und der (94,5 %igen) taiwanesischen Beteiligung i.H.v. insgesamt rd. 2,5 Mio. EUR. Der Beteiligungsaufwand belief sich auf insgesamt rd. 600 DM (2001) und rd. 300 EUR (2002), davon im Streitjahr 2001 für die US-amerikanische Beteiligung auf rd. 250 DM und für die taiwanesische Beteiligung auf 0 DM und im Streitjahr 2002 für die US-amerikanische Beteiligung auf rd. 180 EUR und für die taiwanesische Beteiligung auf 2 EUR.
Das FA beließ die Dividenden gem. § 8b Abs. 1 i.V.m. § 34 Abs. 4 S. 1 KStG 2002 steuerfrei, behandelte im Gegenzug aber 5 % dieser Erträge (rd. 450 000 DM für 2001 und rd. 200 000 EUR für 2002) nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 als nicht abziehbare Betriebsausgaben.
Die Klägerin sah demgegenüber nur die ihr tatsächlich entstandenen Betriebsausgaben gem. § 3c Abs. 1 EStG 2002 als nichtabzugsfähig an; der Ansatz der sog. Schachtelstrafe des § 8b Abs. 5 KStG 2002 verstoße gegen die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten der freien Wahl der Niederlassung sowie der Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 43 und Art. 56 EG).
Das FA lehnte das ab. Die anschließende Klage war erfolgreich (FG Münster vom 09.11.2007, 9 K 2912/04 K, G, Haufe-Index 1930239, EFG 2008, 406).
Entscheidung
Der BFH hat das FG bestätigt: Dass § 8b Abs. 5 KStG a.F. gegen Gemeinschaftsrecht verstieß lag auf der Hand und war unstreitig. Der BFH hatte auch keine durchgreifenden Zweifel daran, dass dadurch sowohl die Niederlassungs- als auch die Kapitalverkehrsfreiheit verletzt war, was wiederum dafür sorgte, dass der "Schutzschirm" des Gemeinschaftsrechts sich auch für die im Urteil in Rede stehenden Beteiligungen in den USA und Taiwan öffnete.
Hinweis
1. Nach § 8b Abs. 1 KStG bleiben bestimmte Kapitaleinkünfte einer Kapitalgesellschaft aus der Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft bei der Einkommensermittlung außer Ansatz. Diese Steuerfreistellung korrespondiert jedoch – getreu dem Rechtsgedanken des § 3c EStG – mit einem Abzugsverbot der Beteiligungsaufwendungen, wobei diese nichtabzugsfähigen Beteiligungsaufwendungen allerdings in § 8b Abs. 5 KStG pauschal mit 5 % der Kapitaleinkünfte fingiert werden. Diese Fiktion betraf bis zum VZ 2003 nur Auslandsbeteiligungen, Inlandsbeteiligungen hingegen nicht.
Dass diese unterschiedliche Behandlung bei gleicher Ausgangslage gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen kaum standhalten konnte, war seit langem klar und ist vom BFH denn auch wiederholt und für sämtliche Vorfassungen des § 8b Abs. 5 KStG erkannt worden: Urteile vom 09.08.2006, I R 95/05 (BFH/NV 2006, 2379, BFH/PR 2007, 21), vom 13.06.2006, I R 78/04 (BFH/NV 2007, 622, BFH/PR 2007, 104) und vom 09.08.2006, I R 50/05 (BFH/NV 2007, 624, BFH/PR 2007, 104). Die Finanzverwaltung hat sich dem prinzipiell angeschlossen: BMF-Schreiben vom 30.09.2008 (BStBl I 2008, 940).
2. Der BFH war dabei insbesondere in seinem Urteil vom 09.08.2005, I R 95/05 (BFH/NV 2006, 2379, BFH/PR 2007, 21) davon ausgegangen, dass § 8b Abs. 5 KStG a.F. sowohl gegen die EG-Niederlassungs- als auch Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Letzteres wiederum hat Folgen über die EG hinaus: Sie erstrahlt auch auf das Nicht-EG-Ausland. Im Urteilsfall I R 95/05 betraf das eine Beteiligung in Südafrika, im jetzigen Urteilsfall Beteiligungen in Taiwan und den USA.
3. Das BMF hatte die Drittstaatenausstrahlung seinerzeit nicht akzeptiert und gegen das BFH-Urteil I R 95/05 (BFH/NV 2006, 2379, BFH/PR 2007, 21) den Nichtanwendungserlass vom 21.03.2007 (BStBl I 2007, 302) in die Welt gesetzt. Und dem BMF war auch zuzugeben, dass die seinerzeitige Entscheidung recht "mutig" war, war die einschlägige EuGH-Rechtsprechung zur Kapitalverkehrsfreiheit doch noch sehr im Fluss. Der BFH hat das, was noch kommen sollte, sozusagen vorempfunden.
4. Im Jahr 2008 (und natürlich 2009) erscheint der Vorwu...