Aus einem Vertrag wird der Schuldner verpflichtet, dem Gläubiger eine Leistung zu erbringen.[1] § 275 BGB regelt die Fälle, in denen der Schuldner von dieser primären Leistungspflicht befreit wird. Dabei geht die Regelung von dem Grundsatz aus, dass "der Schuldner nicht leisten muss, was er nicht leisten kann", ohne dass es insoweit auf ein Vertretenmüssen ankommt.

Von der Leistungsbefreiung ist das zugrunde liegende Vertragsverhältnis zu trennen: Es bleibt ungeachtet der unmöglichen Primärleistung bestehen, ganz gleich, ob die Unmöglichkeit eine anfängliche oder nachträgliche war. Für den Gläubiger ist es die Grundlage für die sekundären Ansprüche des allgemeinen Leistungsstörungsrechts.

Sowohl die tatsächliche, die praktische als auch die persönliche Unmöglichkeit vermögen den Schuldner von der Primärleistungspflicht zu befreien.

3.3.1 Tatsächliche Unmöglichkeit

Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.[1] Damit werden die Fälle der tatsächlichen Unmöglichkeit erfasst, gleich ob es sich dabei um eine anfängliche oder nachträgliche, eine subjektive oder objektive ( "für den Schuldner oder für jedermann unmöglich..."), eine teilweise ( "soweit ...") oder eine vollständige Unmöglichkeit handelt. Gesetzliche Folge ist in all diesen Fällen, dass der Anspruch auf die Primärleistung entfällt. Die Leistungsbefreiung hat ihrerseits regelmäßig[2] die Befreiung des Gläubigers von der Gegenleistung zur Folge, wo ein gegenseitiger Vertrag in Rede steht.[3]

Nicht geregelt ist in § 275 Abs. 1 BGB

  • die Geldschuld – hier gilt der allgemeine Grundsatz, dass finanzielles Unvermögen nicht von der Leistungspflicht befreit[4]- und
  • die vorübergehende Unmöglichkeit; diese wird jedoch von den Vorschriften zu Verzug, Schadensersatz und Rücktritt aufgefangen.
[2] Zu den Fällen des Fortbestehens der Gegenleistungspflicht s. § 326 Abs. 2 BGB.
[4] BTDrucks. 14/7052, S. 272 verweist dabei auf die Existenz der Insolvenzordnung, die keinen Sinn hätte, wenn Zahlungsunfähigkeit per se von der Leistungspflicht befreien könnte.

3.3.2 Praktische, persönliche Unmöglichkeit

Neben den in § 275 Abs. 1 BGB erfassten Fällen der (zumindest für den Schuldner) tatsächlichen Unmöglichkeit stehen die Fälle der praktischen und der persönlichen Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 2 und 3 BGB). Beide werden nur auf Einrede des Schuldners berücksichtigt. Die Leistungsbefreiung ist in diesen Fällen nicht bereits gesetzliche Folge des Leistungshindernisses. Der Schuldner bleibt zur Leistung verpflichtet, solange er die Einrede nicht erhebt. Ist die Einrede jedoch zu Recht erfolgt, sind die Rechtsfolgen dieselben wie in den Fällen der tatsächlichen Unmöglichkeit.

  • Im Falle der praktischen Unmöglichkeit ist die geschuldete Leistung zwar tatsächlich, auch dem Schuldner, möglich, erfordert aber einen Aufwand, der "unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht".[1] Dabei ist zu beachten, dass das Leistungsinteresse des Gläubigers der Maßstab für die Beurteilung des dem Schuldner zumutbaren Aufwandes ist, nicht etwa dessen eigene Leistungsfähigkeit oder Solvenz. So ist es etwa unerheblich, wenn sich der Gläubiger verkalkuliert hat und bei der Erfüllung eines Vertrages feststellt, dass er anstelle des erwarteten Gewinns einen Verlust erzielt. Hier mag der Aufwand im Missverhältnis zum Ertrag stehen, nicht aber zum Leistungsinteresse des Gläubigers.
  • Im Falle der persönlichen Unmöglichkeit muss der Schuldner die Leistung nach dem zugrunde liegenden Schuldverhältnis persönlich erbringen und könnte dies auch; es besteht jedoch ein Leistungshindernis im Sinne eines Umstandes, der die Vertragserfüllung für den Schuldner unzumutbar macht.[2] Die Unzumutbarkeit ist wiederum durch Abwägung des Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers festzustellen.

3.3.3 Gegenleistung bei Unmöglichkeit

Das Schicksal der Gegenleistung im Falle der Leistungsbefreiung wegen Unmöglichkeit regelt bei einem gegenseitigen Vertrag § 326 BGB. Dabei gilt:

  • Grundsätzlich hat die Befreiung des Schuldners von der Leistungspflicht zur Folge, dass auch der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt.[1] Dies gilt nicht

    • in den Fällen, in denen der Schuldner bei nicht vertragsgemäßer Leistung (Schlechtleistung) nur von der Nacherfüllung befreit ist[2], sowie
    • in den Fällen, in denen die Gegenleistungsgefahr[3] beim Gläubiger liegt.[4]
  • Vom Gläubiger bereits erbrachte Teilleistungen werden, im Falle der Leistungsbefreiung wegen Unmöglichkeit, nach den Vorschriften des Rückabwicklungsschuldverhältnisses nach Rücktritt zurückgewährt.[5]
  • Kann der Schuldner teilweise leisten und wird er im Übrigen von seiner Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit befreit, kann der Gläubiger

    • die Gegenleistung mindern[6] oder
    • ohne Fristsetzung vom ganzen Vertrag zurücktreten, wenn er an der erbrachten Teilleistung kein Interesse hat.[7]

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