Leitsatz

1. Steht der Änderung eines Umsatzsteuerbescheids wegen der Rechtsprechungsänderung zum Vorsteuerabzug bei unrichtigem Steuerausweis durch das BFH-Urteil vom 2.4.1998, V R 34/97 (BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695)§ 176 Abs. 1 Nr. 3 AO entgegen, ist der Steuerpflichtige so zu behandeln, wie er ohne die Rechtsprechungsänderung gestanden hätte.

2. Berichtigt der Leistende seine Rechnung mit dem unrichtigen Umsatzsteuerausweis, ist der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers zu berichtigen, wenn im Zeitpunkt der Rechtsprechungsänderung die Änderung des Umsatzsteuerbescheids möglich gewesen wäre. Der Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung ist insoweit unmaßgeblich.

 

Normenkette

§ 176 Abs. 1 Nr. 3 AO, , § 14, § 14c, § 17, § 15 UStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin hatte in den Jahren 1993 bis 1997 steuerpflichtige Leistungen bezogen und Rechnungen mit Steuerausweis auf der Grundlage des Regelsteuersatzes erhalten. Sie nahm den Vorsteuerabzug in Anspruch.

Im September 2004 berichtigte der Leistende die Rechnungen für die an die Klägerin erbrachten Leistungen, da die Leistungen dem ermäßigten Steuersatz unterlägen. Aufgrund dieser Rechnungsberichtigung ging das für die Klägerin zuständige FA davon aus, dass die Klägerin den Vorsteuerabzug im Streitjahr 2004 dahin gehend zu berichtigen habe, dass sie nur noch entsprechend dem ermäßigten Steuersatz zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.

Demgegenüber gab das FG der Klage statt. Die Klägerin sei entsprechend der neuen (geänderten) Rechtsprechung in den Jahren des Leistungsbezugs (1993 bis 1997) nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen. Da im Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung in 2004 für die Jahre des Leistungsbezugs bereits Festsetzungsverjährung vorgelegen habe, lägen die Voraussetzungen für die Gewährung von Vertrauensschutz mangels Änderbarkeit nicht vor, sodass es auf die alte rechtliche Beurteilung vor der Rechtsprechungsänderung nicht ankomme (Niedersächsisches FG, Urteil vom 28.12.2012, 5 K 113/10).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf die Revision des FA auf und verwies die Sache an das FG zurück. Nach der neuen (geänderten) Rechtsprechung bestehe das Recht auf Vorsteuerabzug nur insoweit, als die Steuer gesetzlich entstanden sei, ohne dass hierfür eine Rechnungskorrektur von Bedeutung sei. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Gewährung von Vertrauensschutz sei daher die Veröffentlichung der Rechtsprechungsänderung, nicht aber der einer späteren Rechnungsberichtigung.

Ob und inwieweit im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Rechtsprechungsänderung für die Jahre des Leistungsbezugs noch änderbare Steuerbescheide vorlagen, habe das FG im zweiten Rechtsgang zu prüfen. Dabei sei auch zu klären, ob auf die von der Klägerin bezogenen Lieferungen (Zeitschriften mit CDs) überhaupt der ermäßigte Steuersatz anzuwenden sei.

 

Hinweis

Die Entscheidung betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einer Rechtsprechungsänderung Anspruch auf Vertrauensschutz besteht und welche Auswirkungen die Gewährung von Vertrauensschutz hat.

1. Der BFH hat früher entschieden, dass der Vorsteuerabzug nicht voraussetzt, dass die in der Rechnung ausgewiesene Steuer auch gesetzlich geschuldet wird. Der Leistungsempfänger war daher auch dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn in einer Rechnung z.B. über eine steuerfreie Leistung mit Steuerausweis abgerechnet wurde. Berichtigte der Aussteller seine Rechnung, sodass der Steuerausweis entfiel, hatte der Rechnungsempfänger den Vorsteuerabzug aber zu berichtigen.

2. Seit dem Urteil vom 2.4.1998, V R 34/97, BStBl II 1998, 695, BFH/NV BFH/R 1998, 1438 geht der BFH davon aus, dass nur die gesetzlich geschuldete Steuer zum Vorsteuerabzug berechtigt, sodass ein Steuerausweis in einer Rechnung über eine steuerfreie Leistung kein Recht auf Vorsteuerabzug begründet. Einer späteren Rechnungsberichtigung durch den Rechnungsaussteller kommt dementsprechend keine Bedeutung mehr zu.

3. Nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht berücksichtigt werden, dass sich die BFH-Rechtsprechung geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.

Vertrauensschutz kann nach dieser Vorschrift aber nur gewährt werden, wenn ein noch änderbarer Steuerbescheid vorliegt, ohne dass z.B. bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Ob eine derartige Änderbarkeit gegeben ist, entscheidet sich nach Maßgabe der neuen (geänderten) Rechtsprechung. Da danach nur die gesetzlich geschuldete Steuer zum Vorsteuerabzug berechtigt, könnte die Finanzbehörde ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der neuen Rechtsprechung den Vorsteuerabzug aus einer Rechnung mit Steuerausweis für eine steuerfreie Leistung versagen. Daher kommt es für die Frage der Änderbarkeit und der Festsetzungsverjährung auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung der neuen (geänderten) Rechtsprechung an. Nicht maßgeblich ist der Zeitpunkt einer späteren Rechnungsberichtigung, da diese für die Versagung des Vorsteuerabzugs nunmehr ohne Bed...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge