Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Sachverhalt
Hat der liefernde Unternehmer alles getan, um den Buch- und Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung zu führen, hat er einen Vertrauensschutz für das Vorliegen der Steuerfreiheit.
Die Klägerin verkaufte zwei Fahrzeuge an Unternehmer in anderen Mitgliedstaaten. Die Finanzverwaltung versagte die Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung, da die Nachweise nicht ordnungsgemäß geführt worden sind und deshalb nicht die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG durchgreifen konnte. Für beide Lieferungen waren qualifizierte Abfragen der USt-IdNr. der Leistungsempfänger erfolgt.
Das eine Fahrzeug wurde von einem Bevollmächtigten des Käufers in Deutschland abgeholt, der Bevollmächtigte wies sich durch einen Ausweis aus und bestätigte schriftlich, das Fahrzeug in den anderen Mitgliedstaat mitnehmen zu wollen. Nach Auffassung des Finanzamts wich die Unterschrift auf der Bestätigung von der auf dem Ausweis ab, sodass von einer Unterschriftsfälschung ausgegangen werden müsse und nicht feststeht, wer der tatsächliche Abholer ist.
Das andere Fahrzeug wurde durch einen Frachtführer transportiert, es lag ein nicht vom Empfänger unterschriebener CMR-Frachtbrief vor. Nach dem Frachtbrief ist das Fahrzeug nach Frankreich, nach der Rechnung allerdings nach Italien gelangt. Auch in diesem Fall versagte das Finanzamt die Steuerbefreiung.
Entscheidung
Das Gericht hat der Klage teilweise stattgegeben, teilweise die Klage aber als unbegründet zurückgewiesen.
Über die Inhalte der vorgelegten Unterlagen wurde in dem Verfahren nicht gestritten, es ging lediglich um die umsatzsteuerrechtliche Würdigung, ob ein Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG in das Vorliegen der innergemeinschaftlichen Lieferung gegeben ist.
Für die Lieferung des ersten Fahrzeugs ging das Finanzgericht davon aus, dass der Unternehmer alles notwendige getan hatte, was einem ordentlichen und gewissenhaften Kaufmann zuzumuten ist. Soweit die Finanzverwaltung die Auffassung vertritt (vgl. jetzt Abschn. 6a.3 Abs. 9 UStAE), dass die Unterschrift ggf. einem Vergleich mit der Unterschrift auf der Ausweiskopie des Abnehmers ermöglichen müsse, hält das Gericht dies für unverhältnismäßig. Zum einen kann sich eine Unterschrift durchaus im Laufe mehrerer Jahre verändern, zum anderen sieht eine Unterschrift auf einem Personalausweis, bei dem nur wenig Platz für die Unterschrift besteht, häufig anders aus als auf anderen Unterlagen. Dass im Streitfall die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung mit der Unterschrift des Bevollmächtigten auf seinem Personalausweis nicht ohne Weiteres übereinstimmt, kann deshalb nicht zum Nachteil der Klägerin ausgelegt werden. Deshalb lag in diesem Fall zumindest über den Vertrauensschutz eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vor.
Bei der Lieferung des zweiten Fahrzeugs ergab sich nach Auffassung des Gerichts kein Vertrauensschutz für den liefernden Unternehmer. Der Belegnachweis in Form der Rechnung mit den entsprechenden Versicherungen und Unterschriften stand hinsichtlich des Bestimmungsorts im Widerspruch zum vorgelegten Frachtbrief. Einerseits sollte das Fahrzeug nach Rechnung und Kaufvertrag nach Italien geliefert werden, andererseits nach dem Frachtbrief aber an einen anderen Abnehmer in Frankreich. Es bestehen somit Zweifel daran, dass die Ware tatsächlich im Rahmen dieser Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat gelangt ist. Dieser Widerspruch hätte der Klägerin bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmann auffallen müssen, sodass eine steuerfreie Lieferung nach § 6a UStG nicht angenommen werden kann.
Hinweis
Die Entscheidung des Finanzgerichts erging zu der Rechtslage bis 31.12.2011. Zum 1.1.2012 sind die Voraussetzungen des Buch- und Belegnachweises in der UStDV geändert (verschärft) worden. Da allerdings erhebliche Probleme mit der Umsetzung in der Praxis vorhanden sind, soll die UStDV erneut verändert werden. Aus diesem Grund beanstandet es die Finanzverwaltung bis zur erneuten Änderung der UStDV nicht, wenn der Nachweis weiterhin nach der Rechtslage wie bis zum 31.12.12011 geführt wird.
Der Streit, ob der Unternehmer einen Vertrauensschutz in das Vorliegen der Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung hat, wird sich auch nach einer Neufassung der Voraussetzungen in der UStDV ergeben. Grundsätzlich gilt nach der Rechtsprechung des BFH, dass der Unternehmer alles das tun muss, was ein ordentlicher und gewissenhafter Kaufmann tun würde. Dazu gehört nach Auffassung der Finanzverwaltung, die notwendigen Buch- und Belegnachweise zu führen.
Gegen das Urteil ist Revision unter XI R 17/12 anhängig.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 11.08.2011, 5 K 96/08