Planungsrichtung
Die Komplexitätsreduktion legt also eine Top-down-Planung nahe, doch sollte dies ja nicht der einzige Beweggrund für die Ausgestaltung der Planungsprozesse sein. Es lohnt sich, sich dieser Frage auf einem Umweg zu nähern, denn zunächst muss hier zwischen verschiedenen Aspekten bezüglich der Planung unterschieden werden:
- Nominalgüterprozess: Dies ist die übliche Bedeutung der Budgetierung – es handelt sich zunächst einmal um eine reine Finanzplanung. Verbindungen zum Realgüterprozess bestehen über Maßnahmenplanung, z. B. bezüglich Personalmaßnahmen, Investitionen oder F&E-Programmen. Eine direkte Verbindung zur Produktionsplanung besteht i. d. R. nicht.
- Realgüterprozess: An irgendeiner Stelle muss ganz konkret geplant werden, welche Produkte ein Unternehmen wann produziert oder welche Dienstleistungen wann vollbracht werden. Dieser Realgüterprozess muss sich in irgendeiner Form aus dem Nominalgüterprozess, der ja die Unternehmensstrategie abbildet, ableiten, doch ist schon allein aus der Notwendigkeit einer äußerst detaillierten Produktionsplanung keine 1:1-Übernahme z. B. aus der Budgetierung möglich.
3.1 Verbindung zwischen Finanzplanung und Produktionsplanung
Klar ist, dass keine Form der Finanzplanung die für die Produktionsplanung notwendigen Details bezüglich Produkthierarchie (Ebene der Materialnummer) und Timing liefern kann. Nachgelagerte Feinplanungsschritte sind also in jedem Fall nötig. Doch welcher Planungsprozess sollte die Informationsbasis für die Feinplanung liefern?
Aufgrund des einjährigen Planungsrhythmus und des starken Zielcharakters (z. B. durch Stretch Goals) eignet sich die Budgetierung nicht wirklich als Basis für die Produktionsplanung, denn in kaum einer Branche hat man aufgrund der zunehmenden Schnelllebigkeit noch einen so langen Planungshorizont. Wenn aus Sicht der Produktionsplanung keine Detailbudgetierung notwendig ist, ist dies ein weiterer Punkt, der für eine stark aggregierte Top-down-Planung im Rahmen der Budgetierung spricht. Dem oft genannten Argument der höheren Akzeptanz einer Bottom-up-Planung aufgrund des Inputs einer Vielzahl an Beteiligten kann an dieser Stelle durch eine Konsensbildung bezüglich der übergeordneten Vertriebsziele begegnet werden.
Forecasting als Bindeglied
Wenn die Budgetierung sich nicht als Bindeglied zur Produktionsplanung eignet, welcher Planungsprozess eignet sich dann? Hier kommt das Vertriebsforecasting ins Spiel (s. Abb. 7). Dieser meist ausschließlich bottom up erfolgende, unterjährig mehrfach durchgeführte Prozess dient zunächst einmal im Nominalgüterprozess dem Realitätsabgleich des top-down-lastigen Budgets. Verkäufe lösen ja nicht nur Umsatzerlöse, sondern auch den lebensnotwendigen operativen Cashflow aus – da ist es auch unterjährig wichtig, vorauszusehen, ob man den Plan erreichen wird oder nicht:
- Wo ergeben sich Abweichungen zwischen der Summe der vom Vertrieb als realistisch angesehenen Kundenaufträge und dem Budget?
- Handelt es sich um Mengenabweichungen oder Preisabweichungen?
- Wo gibt es Möglichkeiten für Maßnahmen zur Lückenschließung?
Der oft recht kurzfristig agierende Vertrieb bietet vielfältige Möglichkeiten, frühzeitig Maßnahmen einzuleiten, um sich abzeichnenden Planabweichungen entgegenzuwirken. An dieser Stelle ist auch die hohe Komplexität der Vertriebsplanung zu verkraften, denn die Information über die zukünftigen Absätze und Preise auf Kunden- und Produktebene liegt bei den zuständigen Vertriebsmitarbeitern dezentral vor und muss daher "nur noch" regelmäßig eingesammelt werden.
Abb. 7: Zusammenspiel der Planungsprozesse
Zudem eignet sich der Vertriebsforecast aufgrund der meist hohen Detaillierung, der regelmäßigen (oft monatlichen) Erstellung und seines oft rollierenden Charakters auch ausgezeichnet als Basis für die detaillierte Produktionsplanung (die ja per definitionem ebenfalls rollierend ist), wobei natürlich die Bestandszahlen in die Betrachtung mit einfließen. Zusätzlich werden in vielen Unternehmen noch Anpassungen durch das Management vorgenommen.
Nun schließt sich der Kreis zur Nachfrageorientierung, ist es doch die Aufgabe des Forecasts, die Kundennachfrage bestmöglich abzubilden. Die Just-in-Time-Produktion stellt von konzeptioneller Seite die Vollendung des Prinzips dar, ist aber leider aufgrund von Bestellrhythmen, Durchlaufzeiten etc. nicht in jeder Branche machbar – nicht jeder Kunde wartet ein halbes Jahr auf das bestellte Produkt wie ein Pkw-Käufer!
3.2 Praxisbeispiele zum Planungsprozess
Allgemeingültigkeit
Die Kombination aus stark aggregiertem Top-down-Budget und sehr detailliertem Vertriebsforecast lässt sich in den unterschiedlichsten Branchen einsetzen, was an zwei Extrembeispielen erläutert werden soll:
- Unterhaltungselektronik: Im sehr kleinteiligen und schnelllebigen Geschäft mit Unterhaltungselektronikprodukten ist aufgrund der kurzen Produktlebenszyklen eine detaillierte Budgetierung auf Kunden- und Produktebene nicht sinnvoll – zum Zeitpunkt der Budgetierung können hier noch keine seriösen Detailpläne erstellt werden. Absatz- und Preisplanung im Rahmen des Budgets orientieren s...