Leitsatz
1. Die Vereinbarung von Ausgleichszahlungen des beherrschenden Unternehmens an einen außenstehenden Aktionär der beherrschten Gesellschaft steht der körperschaftsteuerrechtlichen Anerkennung eines Gewinnabführungsvertrags entgegen, wenn neben einem bestimmten Festbetrag ein zusätzlicher Ausgleich in jener Höhe vereinbart wird, um die der hypothetische Gewinnanspruch des Außenstehenden ohne die Gewinnabführung den Festbetrag übersteigen würde.
2. Die Änderung oder Aufhebung eines Steuerbescheids zugunsten des Steuerpflichtigen wegen der irrigen Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts kann nur dann gem. § 174 Abs. 4 AO zum Anlass für die Aufhebung oder die Änderung eines weiteren Steuerbescheids genommen werden, wenn der zuerst geänderte Bescheid in seiner ursprünglichen Fassung objektiv rechtswidrig war.
Normenkette
§ 14, § 16 KStG, § 304 AktG, § 174 Abs. 4 AO
Sachverhalt
Klägerin ist ein kommunales Versorgungsunternehmen, das in der Rechtsform der AG betrieben wurde. Ihre Aktionäre waren zu Beginn des Streitjahrs 1994 die Stadt S mit einer Beteiligung von rund 24 % und die S-GmbH mit einer Beteiligung von rund 76 % des Grundkapitals. Die S-GmbH befand sich in alleinigem Anteilseigentum der S.
1. Zwischen der S-GmbH als Organträgerin und der Klägerin als Organgesellschaft bestand ein Organschaftsverhältnis, das keine Regelungen über Ausgleichszahlungen an außenstehende Aktionäre der Klägerin enthielt.
2. Außer an der Klägerin war die S-GmbH im Streitjahr in Beteiligungshöhen zwischen 31 % und 41 % an der M-AG beteiligt, welcher die S-GmbH zum 01.07.1994 Aktien der Klägerin in einer Beteiligungshöhe von 24 % des Grundkapitals verkaufte. Es wurde ein neuer EAV geschlossen, in dem sich die Beteiligten über Ausgleichszahlungen wie folgt verständigten:
3. … a) Die (S-GmbH) garantiert den außenstehenden Aktionären der (Klägerin) als angemessenen Ausgleich für jedes volle Geschäftsjahr der (Klägerin) und für jede Aktie der (Klägerin) im Nennbetrag von 1.000 DM eine feste Ausgleichszahlung i.H.v. 165 DM. Sollte der Bilanzgewinn der (Klägerin) gem. § 158 Abs. 1 AktG, der sich ergeben würde, wenn ein EAV mit der (S-GmbH) nicht bestehen würde, den Betrag von 165 DM je Aktie übersteigen, so verpflichtet sich die (S-GmbH), dass dieser Unterschiedsbetrag als variabler Ausgleich zusätzlich an die außenstehenden Aktionäre gezahlt wird. Die Ausgleichszahlung ist am Tag nach der ordentlichen Hauptversammlung der (Klägerin) für das abgelaufene Geschäftsjahr fällig.
b) Die feste Ausgleichszahlung von 165 DM je Aktie entspricht der Bardividende (also der ausgezahlten Dividende vor Abzug der KapESt und des SolZ) i.S.d. KStG. ...
4.a) Im Vorgriff auf die Zahlung gem. § 3 a) erhalten die außenstehenden Aktionäre am ersten Werktag nach Ablauf des Geschäftsjahrs der (Klägerin) einen Betrag i.H.d. festen Ausgleichszahlung abzüglich KapESt und SolZ.
b) Die Ausgleichszahlung nach Abs. 3.a) erfolgt erstmalig für das Geschäftsjahr 1995. ...
6. Der Vertrag sieht weiter eine Verpflichtung der (S-GmbH) vor, die Aktien der außenstehenden Aktionäre zum Preis von 6.434 DM pro Aktie innerhalb der gem. § 305 Abs. 4 AktG bestimmten Mindestfrist zu erwerben. Die (M-AG) verpflichtet sich, ihre Rechte aus dieser Verpflichtung nicht auszuüben. ...
8. Die (M-AG) anerkennt, dass bei der Bewertung der Aktien … das Bestehen und der Fortbestand eines Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrags wie hier vorgesehen unterstellt ist. …
9. Als Ausgleich dafür, dass der gesamte Gewinn des Jahrs 1994 aufgrund des bestehenden Organvertrags mit Ergebnisabführungsvereinbarung an die (S-GmbH) abgeführt wird und die (M-AG) daran nicht beteiligt ist, ist die (S-GmbH) verpflichtet, an die (M-AG) einen Betrag i.H.v. 50 % des Betrags zu leisten, der für das Jahr 1994 bei der (M-AG) Ertrag wäre (Bardividende zzgl. KSt-Gutschrift), wenn für 1994 der künftige EAV bereits bestünde und die (M-AG) für das ganze Jahr 1994 Inhaberin der gem. § 1 verkauften Aktien wäre. …”.
Im Zeitraum zwischen dem 02.01. und dem 08.09.1995 zahlte die S-GmbH aufgrund der getroffenen Vereinbarung für 1994 an die M-AG unter Beifügung der entsprechenden Steuerbescheinigung "die vereinbarte feste Ausgleichszahlung" i.H.v. 984 555 DM.
Im Anschluss daran gelangten die Klägerin und die S-GmbH zu der Auffassung, dass es sich bei den vereinbarten Leistungen tatsächlich nicht um Ausgleichszahlungen i.S.v. § 304 AktG bzw. § 16 KStG 1991, sondern um einen Nachlass auf den von der M-AG für die Anteile an der Klägerin entrichteten Kaufpreis handele. Die S-GmbH ließ sich von der M-AG die im Januar 1995 von der Klägerin ausgestellte Steuerbescheinigung zurückreichen und zahlte die anrechenbare KSt und die zunächst einbehaltenen Steuern, insgesamt weitere 938.873 DM, an die M-AG aus.
Den aufgrund des EAV im Jahr 1995 insgesamt an die M-AG gezahlten Betrag von 2358397 DM ermittelte die S-GmbH aus der Hälfte des um verschiedene Korrekturposten (insbesondere Ertragsteuern) modifizierten Jahresüberschusses der Klägerin...