Leitsatz
Aus einer im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen angeordneten Telefonüberwachung gewonnene Erkenntnisse, die sich auf einen nicht in § 100a StPO aufgeführten Straftatbestand beziehen, dürfen von den Finanzbehörden im Besteuerungsverfahren nicht verwendet werden.
Normenkette
§ 71, § 374, § 393 Abs. 3 AO, , § 100a, § 474 Abs. 2, § 477 Abs. 2 StPO
Sachverhalt
Der Kläger wird gem. § 71 AO auf Haftung für Tabaksteuer in Anspruch genommen mit der Begründung, er habe ein Kaufgeschäft zwischen Dritten über unverzollte und unversteuerte Zigaretten vermittelt und damit den Tatbestand der Steuerhehlerei des § 374 Abs. 1 AO erfüllt. Der Verkäufer war deshalb vom Amtsgericht wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei verurteilt worden, während dem Kläger vom Strafgericht eine Beteiligung an dem Geschäft nicht hatte nachgewiesen werden können. Das HZA hat sich jedoch für dessen Beteiligung auf die Protokolle einer 2007 durchgeführten Telefonüberwachung berufen, die aber nach Ansicht des FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 15.10.2012, 4 K 1476/12, VTa, Z, EU) gegen den Kläger nicht verwertet werden dürfen.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision nicht zugelassen; es sei klar und eindeutig, dass die Protokolle gegen den Kläger nicht verwertet werden dürfen, da ihm keine gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhehlerei vorgeworfen werden könne und auch nicht vorgeworfen werde.
Hinweis
Erkenntnisse, die dem Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, zu denen durch eine Telefonüberwachung gewonnene Erkenntnisse gehören, dürfen nach § 393 Abs. 3 Satz 2 AO von der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren verwendet werden, soweit sie diese rechtmäßig im Rahmen eigener strafrechtlicher Ermittlung gewonnen hat oder soweit nach den Vorschriften der StPO den Finanzbehörden Auskunft erteilt werden darf (siehe dazu § 474 Abs. 2 und § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO). Nach § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO dürfen aufgrund einer nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässigen Maßnahme erlangte personenbezogene Daten ohne Einwilligung des Betroffenen zu Beweiszwecken in anderen Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach der StPO hätte angeordnet werden dürfen.
Der BFH lässt offen, ob die Verwertung nur zu Beweiszwecken in einem anderen Strafverfahren oder auch zum Nachweis der Haftungsvoraussetzungen in einem Besteuerungsverfahren verwendet werden dürfen, zeigt aber deutlich eine Neigung zu letzterer Ansicht.
Zufallserkenntnisse, die bei einer wegen des Verdachts von Bandendiebstahl gegen einen Dritten durchgeführten Telefonüberwachung gewonnen worden sind, dürfen danach jedenfalls dann nicht in einem Besteuerungsverfahren verwendet werden, wenn der Betroffene nicht wegen gewerbs- oder bandenmäßiger Steuerhehlerei auf eine Haftung für eine Verbrauchsteuer in Anspruch genommen werden soll. Denn wegen des Verdachts "einfacher" Steuerhehlerei lässt § 100a StPO eine Telefonüberwachung nicht zu.
Einige der dort aufgeführten Straftatbestände sind im Übrigen überhaupt erst durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung … (TKÜNReglG) vom 21.12.2007 (BGBl I 2007, 3198) mit Wirkung ab dem 1.1.2008 in § 100a StPO eingefügt worden. Nach dem BGH-Urteil vom 27.11.2008, 3 StR 342/08 (BGHSt 53, 64) ist allerdings nach diesem Zeitpunkt auf den neu gefassten § 100a StPO abzustellen, auch wenn die Überwachungsmaßnahme vorher stattgefunden hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 24.4.2013 – VII B 202/12