Leitsatz
Bei privatärztlichen Behandlungen zahlt der Patient die entstandenen Krankenkosten dem behandelnden Arzt oder an eine vom Arzt ermächtigte Verrechnungsstelle. Eine Erstattung dieser Kosten erhält er, sofern er einen entsprechenden Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen hat. Die vertraglichen Vereinbarungen mit der Krankenversicherung können eine Selbstbeteiligung und Obergrenzen für bestimmte Therapien sowie Beitragsrückerstattungen beinhalten. Erstattungen von Versicherungsbeiträgen hängen regelmäßig davon ab, dass keine Krankheitskosten geltend gemacht werden; sie erhöhen sich, wenn für längere Zeiträume keine Kosten erstattet werden. Gründe hierfür können sein, dass tatsächlich keine Krankheitskosten beim Versicherungsnehmer angefallen sind oder dieser entstandene Kosten nicht geltend macht, weil die Beitragsrückerstattung höher ist als der Ersatz der Krankheitskosten. Bei einem solchen Verzicht auf Erstattung von Krankheitskosten, so entschied das FG Hamburg, stellen diese Krankheitskosten keine außergewöhnliche Belastung dar.
Sachverhalt
Im Urteilsfall waren einer Rechtsanwältin im Jahre 2000 Krankheitskosten von 8.629 DM entstanden. Unter Berücksichtigung einer Selbstbeteiligung von 1.320 DM erstattete die Krankenversicherung im Februar 2001 einen Betrag von 1.887 DM. Nachdem die Krankenversicherung es abgelehnt hatte, den erstatteten Betrag wieder einzuziehen, überwies die Rechtsanwältin den zuvor erstatteten Betrag zurück an die Krankenversicherung, um ihre Beitragsrückerstattung nicht zu verlieren. Seit 1995 hatte sie keine Leistungen mehr in Anspruch genommen. Die Beitragsrückerstattungen betrugen deshalb für 1999 = 1.010 DM und für 2000 = 1.333 DM. Für die Folgejahre war mit etwa der gleichen Höhe zu rechnen. Bei Auszahlung der Kostenerstattung hätten sich die Beitragsrückerstattungen verringert. Durch den Verzicht auf Kostenerstattung ergab sich insgesamt eine höhere Beitragsminderung. Die Rechtsanwältin machte deshalb den Gesamtaufwand von 8.629 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Das FA kürzte jedoch diesen Aufwand um den Erstattungsanspruch gegenüber der Krankenversicherung von 1.887 DM.
Entscheidung
Die Klage hiergegen ist nach Auffassung des FG Hamburg unbegründet. Krankheitskosten zählten zweifelsfrei zu den außergewöhnlichen Belastungen gemäß § 33 Abs. 1 EStG, weil sie regelmäßig zwangsläufig entstehen. Eine endgültige Belastung trete allerdings nicht ein, sofern Aufwendungen von dritter Seite ersetzt würden. Diese so genannte Vorteilsanrechnung gelte auch, wenn die Ersatzleistung in einem späteren Kalenderjahr vereinnahmt werde. Darüber hinaus fehle es an der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen, falls bestehende Ersatzansprüche nicht realisiert würden. Der Steuerpflichtige müsse sich nicht nur nachdrücklich um Ersatzleistungen bemühen, sondern grundsätzlich auch gegen die Ablehnung einer beantragten Kostenerstattung mit Rechtsmitteln vorgehen. Ein Verzicht auf Kostenerstattung sei nur unschädlich, wenn die Durchsetzung des Ersatzanspruches unzumutbar erscheine. Der bloße wirtschaftliche Vorteil beim Verzicht auf Versicherungsansprüche könne aber nicht mit der Unzumutbarkeit der Durchsetzung gleich gesetzt werden.
Kann sich der Steuerpflichtige durch Rückgriff gegenüber seiner Krankenversicherung schadlos halten, sei die Abwälzung seiner Aufwendungen auf die Allgemeinheit nicht gerechtfertigt. Denn § 33 EStG beabsichtige nicht, Krankheitskosten steuerlich anzuerkennen, um sie der Krankenversicherung zu ersparen oder um dem Steuerpflichtigen Beitragserstattungen zu ermöglichen. Wirtschaftlich vernünftige Gründe für den Verzicht einer Kostenerstattung spielten keine Rolle, wenn es darum gehe, ob sich der Steuerpflichtige den Krankheitskosten nicht entziehen könne.
Demgegenüber seien aber die Krankheitskosten, die infolge der vereinbarten Selbstbeteiligung nicht erstattet werden, als außergewöhnliche Belastung - wie auch geschehen - zu behandeln, weil Krankenversicherungsverträge mit Selbstbehalten und Obergenzen weithin üblich seien.
Hinweis
Die Revision gegen dieses Urteil wurde zugelassen. In dem Verfahren wird u.a. die Frage zu klären sein, ob ein vereinbarter Selbstbehalt und ein Verzicht auf Versicherungsleistungen wegen Beitragserstattungen unterschiedlich zu beurteilen sind. Beide Instrumente wirken sich auf die Höhe der Versicherungsbeiträge aus. Der Selbstbehalt stellt aber von vornherein einen Ausschluss von Ersatzansprüchen dar, während der Verzicht auf Ersatzansprüche lediglich eine spätere Möglichkeit ist, die Beiträge zu mindern. Der Ersatzanspruch ist jedoch im Verzichtsfalle bereits entstanden, und steuerlich kommt es auf die Realisierung bestehender Ersatzansprüche an. Der Ausgang des Revisionsverfahrens muss abgewartet werden.
Link zur Entscheidung
FG Hamburg, Urteil vom 26.08.2004, VI 167/02