Leitsatz
1. Überträgt eine Kapitalgesellschaft einer mit ihr verbundenen Gesellschaft die Leitung ihrer Geschäfte, so kann ein dafür gezahltes Entgelt eine vGA sein. Müssen die für die Auftragnehmerin tätig werdenden Personen in zeitlicher Hinsicht den Einsatz eines in Vollzeit beschäftigten Geschäftsführers erbringen, so ist die Angemessenheit des Entgelts nach den Maßstäben zu bestimmen, die für die Ermittlung angemessener Geschäftsführerbezüge gelten.
2. Eine vGA ist einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen, wenn sie auf einem Vorgang beruht, der sich im Aufwand dieser Betriebsstätte niedergeschlagen hat.
3. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Gewinn eines in den Niederlanden ansässigen Unternehmens aus dessen inländischer Betriebsstätte für die Jahre 1993 und 1995 einem KSt-Satz von mehr als 30 % unterworfen werden durfte (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 09.08.2006, I R 31/01, BStBl II 2007, 838, BFH/PR 2007, 19 und zum BMF-Schreiben vom 17.10.2007, BStBl I 2007, 766).
Normenkette
§ 8 Abs. 3 S. 2, § 27 Abs. 1, § 54 Abs. 10a KStG 1990 i.d.F. des StMBG, Art. 52, Art. 58 EGV
Sachverhalt
Die alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer niederländischen Kapitalgesellschaft (BV I) ist eine ebenfalls in den Niederlanden ansässige BV II. Deren Anteile wurden von zwei anderen niederländischen Kapitalgesellschaften BV III und IV gehalten. Die BV I unterhielt in Deutschland Betriebsstätten.
Die BV I übertrug der BV III und der BV IV, ihr Management zu betreiben. Dabei wurde unter "Management" die tägliche Leitung des Unternehmens durch von den Auftragnehmerinnen zu stellende Geschäftsführer verstanden.
Das FA sah die Zahlung der Managementvergütungen u.a. für die Jahre 1995 und 1996 als vGA an, soweit die gezahlten Vergütungen 80 % der vereinbarten Beträge überstiegen und unterwarf die zu versteuernden Einkommen Steuersätzen von 46 % (1993) und 42 % (1995). Das Klageverfahren ist noch beim FG anhängig.
Der beantragten AdV gab das FG statt, soweit ein höherer Steuersatz als 33,5 % berücksichtigt war; den weitergehenden Antrag lehnte es ebenfalls ab.
Entscheidung
Der BFH lehnte es wegen der vGA-Fragen ebenfalls ab, AdV zu gewähren. Anders sah es hingegen im Hinblick auf den "richtigen", also "europarechtsfesten" Steuersatz aus; hier wurde es als ernstlich zweifelhaft angesehen, ob eine Einbeziehung der KapESt zu akzeptieren sei.
Hinweis
Es handelt sich um einen AdV-Beschluss.
1. Dessen Kernaussage zur Annahme einer vGA birgt kaum Besonderheiten oder Neuigkeiten:
a) Auch wenn eine Kapitalgesellschaft die Geschäftsleitung einer ihr gesellschaftlich verbundenen anderen Kapitalgesellschaft übernimmt, kann – naturgemäß – eine vGA vorliegen, und zwar – ebenso naturgemäß – bezogen auf die handelnden natürlichen Personen. Bewegt sich deren Vergütung außerhalb dessen, was angemessen ist, dann greifen die allgemeinen vGA-Rechtsfolgen.
b) Zwei Aspekte verdienen dennoch Beachtung:
- Auch wenn die tätig werdenden Personen formal nicht als Geschäftsführer bestellt, tatsächlich jedoch in vergleichbarer Position und Ausgestaltung sind, muss sich das Angemessenheitsniveau im Fremdvergleich an den für "ordentliche" Geschäftsführer maßgebenden Grundsätzen orientieren. Deren Gehalt ist der Vergleichsmaßstab.
- Und ist das Tätigwerden grenzüberschreitend bezogen auf eine Inlandsbetriebsstätte, kommt es darauf an, ob die Geschäftsführertätigkeit dieser Betriebsstätte zugute kommt. Schlägt sich der Aufwand für die Leitungsaktivitäten in der Betriebsstätte nieder, dann ist hier regelmäßig auch die vGA im Rahmen der Ermittlung des Betriebsstätteneinkommens zu erfassen.
Das Letztere gilt natürlich auch für denumgekehrten Fall: Der geschäftsleitend Tätige "sitzt" im Inland und die Betriebsstätte ist im Ausland belegen. Das Besteuerungsrecht für die vGA gebührt dann unter vergleichbaren Umständen dem anderen Vertragsstaat.
Dass es sich aus Abkommenssicht (auch) bei der vGA regelmäßig um eine Dividende handelt und dass dafür grundsätzlich das Besteuerungsrecht nach Maßgabe von Art. 10 OECD-MA im Ansässigkeitsstaat liegt, ändert daran nichts. Es geht hier nicht um die Frage einer "grenzüberschreitenden" Gewinnausschüttung, sondern um die Ermittlung und Abgrenzung des Betriebsstättenergebnisses (Art. 7 OECD-MA) geht vor.
2.Beachtung verdient aber vor allem die aus dem 3. Leitsatz deutlich werdende Aussage des AdV-Beschlusses (und das allein hatte dem FG denn auch Anlass gegeben, gegen seine Entscheidung die Beschwerde vor dem BFH zuzulassen):
a) Dem Beschlussfall lag diejenige Situation zugrunde, die Gegenstand des EuGH-Urteils vom 23.02.2006, Rs. C-253/03"CLT-UFA" (BFH/PR 2006, 195) sowie des dazu ergangenen BFH-Endurteils vom 09.08.2006, I R 31/01 (BFH/PR 2007, 19) war:
Welchem KSt-Satz ist die "ins Ausland gehende" vGA zu unterwerfen? Galt im Streitjahr der reguläre KSt-Satz von 42 % (vgl. § 23 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 S. 1 KStG a.F), weil eine ausländische Kapitalgesellschaft im Inland mittels einer Betriebsstätte tätig ist?
Oder aber der Ausschüttung...