Dipl.-Kffr. Cordula Schneider
Der schlechtest mögliche Start in jedes Projekt ist das Versprechen von "blühenden Landschaften": Die Versuchung ist groß, die positive Wirkung der Vier-Tage-Woche in den schillerndsten Farben zu malen. Denn wir wissen, dass Stellenanzeigen mit dem Stichwort 4-Tage-Woche besonders positiv wahrgenommen werden.
Schnellschüsse sind hier allerdings wenig treffgenau und trotzdem tödlich. Der Realitätsschock führt zu Frust. Wenn Sie das Projekt systematisch angehen, dann wird es in Ihrer Kanzlei nachhaltig zu mehr Zufriedenheit führen. Wir empfehlen Ihnen folgende sieben Schritte und einen Schritt davor:
4.1 Schritt 0: Das Projekt vor dem Projekt – Die Ist-Analyse
Entscheidend für Ihr Gelingen ist, realistisch und "schonungslos" die Ist-Situation in der Kanzlei zu analysieren:
Wie sieht die Arbeitszeit heute aus?
In vielen Kanzleien wird am Freitag schon länger nicht mehr "voll", also 8 Stunden gearbeitet. Die Arbeitszeit am Freitag bestimmt die notwendige Produktivitätssteigerung. Wie viel Zeit muss/kann realistisch eingespart werden?
Wie hoch ist Ihre Kapazitätsauslastung?
Die bloße Hoffnung: "Dann arbeiten wir eben etwas schneller." reicht bei weitem nicht. Im Gegenteil: Im Moment herrscht in vielen Kanzleien "Unterkapazität". Der Drehzahlmesser steht gefühlt kurz vor, oder schon im roten Bereich.
Hier empfehlen wir dringend eine genauere Analyse: Wo und in welchem Umfang "knirscht" es? Aktuell hören wir immer wieder: Die Jahresabschlüsse drücken. Die erst so willkommenen Fristverlängerungen führen für die Abschlüsse 2021 und 2022 zu einer sich aufbauenden "Welle". Bei einer sehr hohen Welle ist die Einführung einer Vier-Tage-Woche ein Ziel, das eher später in Angriff genommen werden kann. Die gute Nachricht: Allein das Ziel motiviert schon.
Wie sieht Ihr Digitalisierungsgrad aus?
Und hier reden wir nicht von PDF statt Papier, wir reden von Automatisierung – also im Wesentlichen von der konsequenten Nutzung von Schnittstellen. Auch hier gibt es eine gute Nachricht: In den meisten Kanzleien ist hier noch deutlich "Luft nach oben". Nutzen Sie die Analysemöglichkeiten Ihrer Kanzleisoftware, um Potentiale zu heben.
Digitale Möglichkeiten bei Mandanten
Nutzen Sie zusätzlich eine schnöde Excel-Tabelle, in der für jeden Mandanten steht, welche digitalen Möglichkeiten bei ihm schon genutzt werden (Kassenschnittstelle, Warenwirtschaft, Beleganlieferung etc.). Diese Tabelle liefert Ihnen über die Filtermöglichkeiten die Information, welche "Lücke" Sie als erstes schließen sollten.
4.2 Schritt 1: Ihre Grundsatzentscheidungen – Womit fühlen Sie sich wohl?
Lassen Sie sich nicht vorschnell vom "Markt" ein Modell aufdrücken. Das Feld der neuen, flexibleren Arbeitszeitmodelle ist weit. Aus unserer Sicht geht es darum, die "Leitplanken" zu definieren, innerhalb derer Ihre Mitarbeiter eigene Entscheidungsfreiräume nutzen können. Eine gute Idee ist es heute, Ihre Mitarbeiter als Berater bei Entscheidungen einzubeziehen. überlegen Sie also, worauf Sie nicht verzichten wollen. Das betrifft im Wesentlichen die Erreichbarkeit und die Anwesenheit in der Kanzlei.
Auch die Entscheidung, ob 40 Stunden auf 4 Tage verteilt oder auf 35 bis 38 (das ist die Range, die wir hören) bei vollem Lohnausgleich, sollten Sie für sich zumindest gut vorbereiten. Wo liegen Ihre Schmerzgrenzen?
4.3 Schritt 2: Was wollen Ihre Mitarbeitenden?
Beim Mittagessen in einer Kanzlei, bei der ein Mitarbeiterworkshop zu einem anderen Thema durchgeführt wurde, kam das Thema 4-Tage-Woche auf. Klares Statement: "Wollen wir nicht!" Der Grund: In dieser Kanzlei wird bereits komplett flexibel gearbeitet in Bezug auf Zeit und Ort.
Machen Sie daher eine Umfrage unter der klaren Prämisse, dass es nicht darum geht, die Wünsche jedes einzelnen Mitarbeiters zu erfüllen, sondern ein für alle passendes Modell zu finden.
Umfrage zu einem passenden Modell
Fragen für eine Umfrage zu einem passenden Modell könnten folgende sein:
- Wie zufrieden sind Sie derzeit mit Ihrer Work-Private-Balance?
- Inwiefern erwarten Sie, dass eine 4-Tage-Arbeitswoche Ihre Work-Private-Balance verändern würde?
- Haben Sie Bedenken hinsichtlich der Umstellung auf eine 4-Tage-Woche? Wenn ja, welche sind das?
- Haben Sie Vorschläge oder Ideen, wie eine 4-Tage-Woche in unserer Kanzlei am besten umgesetzt werden könnte?
Sie können dann die Antworten Ihrer Mitarbeitenden mit Ihren Überlegungen abgleichen. Danach gehen Sie mit Ihren Mitarbeitenden in Diskussion.
4.4 Schritt 3: 4-Tage-Woche Workshop
In ca. 1,5 Stunden werden auf Klebezetteln an der Wand Pro und Contra gesammelt und zunächst in Kleingruppen und dann im Plenum diskutiert.
Dabei sollte dann auch folgende Frage eine Rolle spielen: "Was müsste passieren, damit das auf jeden Fall schief geht?" Das hilft, die Bedenken "neutral" zu sammeln und Lösungen dafür zu finden.
Das Ergebnis des Workshops ist eine Entscheidung pro oder contra 4-Tage-Woche. Dabei geht es nicht um eine Mehrheitsentscheidung. Vielmehr geht es um ein "safe enough to try". Denn die 4-Tage-Woche sollten Sie erst mal als Test starten. In der Rege führt diese Vorgehensweise dazu, dass sich auch Mitarbeiter darauf einlassen, die skeptisch sind. Mit dem gemeinsam erarbeiteten Modell geht es weiter in d...