"Führung muss bewusster werden"
Herr Schwarzensteiner, seit mehr als 25 Jahren beraten Sie Steuerkanzleien. Wie wichtig ist "New Work" für die Branche und ist dieses "neue Arbeiten" in den Steuerkanzleien angekommen?
New-Work-Ansätze gibt es in vielen Kanzleien tatsächlich schon längere Zeit, insbesondere die Möglichkeit, im Home-Office zu arbeiten. Vor der Corona-Pandemie waren viele Arbeitgeber allerdings eher skeptisch und gewährten das Home-Office nur ausgewählten Mitarbeitern, damit diese beispielsweise in der Elternzeit nicht den beruflichen Anschluss verlieren. Das hat sich mittlerweile gelockert.
Ich kenne keinen Steuerberater, bei dem die Leistung durch Homeoffice abgefallen ist.
Ich kenne keinen Steuerberater, bei dem die Leistung durch Homeoffice abgefallen ist. Aber letztendlich sollte man genau prüfen, welche New-Work-Aspekte in einer Steuerkanzlei umgesetzt werden sollen. Für das gleiche Geld weniger Stunden arbeiten, funktioniert in dieser arbeitsintensiven Branche eher nicht; ebenso ist ein Work-On-Travel aufgrund der Zeitverschiebung und der nötigen Erreichbarkeit zu den üblichen Geschäftszeiten für eine Steuerkanzlei schwierig umzusetzen.
Kann New Work für die Steuerberatung überhaupt funktionieren?
Ja, New Work funktioniert in der Steuerberatung in der Regel sehr gut, weil die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Die meisten Steuerkanzleien sind technisch sehr gut ausgestattet. Auch die selbständige Arbeitsweise der Sachbearbeiter kommt dem New-Work-Gedanken zugute. Nicht zuletzt erleichtert die Digitalisierung der Prozesse die ortsungebundene Zusammenarbeit – sowohl mit den Mandanten als auch für die Mitarbeiter untereinander. Zwar sind noch nicht alle Kanzleien ausreichend digitalisiert, aber es sind schon viele.
New Work in der Steuerberatung: Herausforderungen und Chancen
Welche Herausforderungen bringt New Work für Steuerkanzleien mit sich?
Eine große Herausforderung ist es, einen guten Informationsfluss und Informationsaustausch aufrechtzuerhalten. Außerdem muss sichergestellt sein, dass die Mitarbeiter für Mandanten, Kollegen, Kanzleiführung und Dritte gut erreichbar sind und die sozialen Bedürfnisse beachtet werden. Die Basis für diese neuen Formen der Zusammenarbeit ist das Vertrauen der Kanzlei-Chefs in ihre Mitarbeiter – was sich in der Regel auch sehr positiv auf die Motivation der Mitarbeiter auswirkt. Viele Kanzlei-Inhaber tun sich in der Praxis damit aber noch schwer. Die Mitarbeiter wiederum müssen diesem Vertrauen gerecht werden und sollten in der Lage sein, sich stärker selbst zu führen. Wer dies nicht kann und direkte Führung benötigt, geht besser in die Kanzlei. Hier gilt es, für alle Mitarbeiter einen passenden Weg zu finden.
Sind New-Work-Modelle für eine Steuerkanzlei trotzdem erstrebenswert?
Die Vorteile liegen auf der Hand. Mehr Flexibilität, weniger Fahrtzeiten und oftmals mehr Ruhe in der Kanzlei, wodurch es sich effizienter arbeiten lässt. Steuerberater werden dadurch auch als Arbeitgeber attraktiver. Ein New-Work-Ansatz ist in der Steuerberater-Branche auch ein Recruiting-Argument und hilft gleichzeitig, bestehende Mitarbeiter zu binden. Es gibt in der Steuerbranche einen sehr starken Wettbewerb um das Personal. Daher ist es klug, dieses Argument auch einzusetzen und zu kommunizieren.
Ein New-Work-Ansatz ist in der Steuerberater-Branche auch ein Recruiting-Argument und hilft gleichzeitig, bestehende Mitarbeiter zu binden.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit New Work in einer Steuerkanzlei eingeführt werden kann?
Die grundlegenden technischen Voraussetzungen wie Hardware, entsprechende Softwarelösungen sowie eine Anbindung an das Rechenzentrum oder eine Cloud-Lösung sind in den meisten Steuerkanzleien gegeben. Doch darüber hinaus gibt es weitere Potenziale, die gehoben werden könnten. Beispielsweise hat noch nicht jede Kanzlei ihre Telefon-Anlage digitalisiert – was das mobile Arbeiten deutlich erleichtern würde, weil dann Rufweiterleitungen oder der Einsatz von Smartphones nicht nötig wären. Außerdem ist es ratsam, eine zentrale, digitale Kommunikationsplattform aufzubauen. Lösungen wie Microsoft Teams sind dafür prädestiniert, weil sie nicht nur für die Videotelefonie, sondern auch für Chat und andere Formen der Zusammenarbeit genutzt werden können. E-Mails hingegen sind für die Anforderungen von New Work eher ungeeignet.
… und wie steht es um die nötigen organisatorischen Voraussetzungen?
In erster Linie muss sichergestellt werden, dass die digitalen Prozesse einheitlich ablaufen. Und es sind klare Regeln für das neue Arbeiten nötig. Um dies für alle Mitarbeiter festzuhalten, ist es hilfreich, wichtige Prozesse und Regeln in einem Handbuch niederzuschreiben – das natürlich digital für alle zugänglich gemacht werden sollte. Nicht zuletzt ist eine veränderte Führung nötig, da Face-to-Face-Kontakte seltener werden und die persönliche Führung entsprechend eingeschränkt wird.
Eine Frage des Vertrauens: Kanzleiführung und New Work
Wie muss sich Führung ändern?
Führung muss bewusster stattfinden. "Walking around" funktioniert bei New-Work-Konzepten in der Regel nicht mehr. Trotzdem müssen die Leistung und das persönliche Befinden der Mitarbeiter von der Kanzlei-Führung wahrgenommen werden. Hier kann es helfen, auch diesbezüglich digital zu arbeiten. Statt einem morgendlichen Rundgang durch die Büros, könnte man zum Beispiel einen regelmäßigen Online-Jour-Fix mit allen Mitarbeitern etablieren, um Befindlichkeiten und Probleme kurz abzufragen und Stimmungen einzufangen.
Wie kann eine Kanzlei in der Praxis vorgehen, wenn Sie Neues Arbeiten einführen möchte?
Als erstes müssen sich Kanzlei-Inhaber die Frage stellen, ob sie das nötige Vertrauen in ihre Mitarbeiter haben, dass diese auch außerhalb des Kanzlei-Büros gewissenhaft und professionell arbeiten. Nur wenn dieses Vertrauen vorhanden ist, sollte man die nächsten Schritte in Richtung New Work in Angriff nehmen.
… die da wären?
Zunächst müssen die technischen Voraussetzungen überprüft oder gegebenenfalls geschaffen werden. Gleichzeitig sind klare Regeln zu vereinbaren – beispielsweise, wann Mitarbeiter in der Kanzlei erreichbar sein müssen und an welchen Wochentagen sie remote arbeiten können. Es muss klar sein, wer wann und wo erreichbar ist, hier darf die Kanzlei-Führung keinesfalls im Blindflug agieren.
Es muss klar sein, wer wann und wo erreichbar ist, hier darf die Kanzlei-Führung keinesfalls im Blindflug agieren.
Außerdem ist es wichtig, die neuen Prozesse nicht nur festzulegen, sondern sie auch zu überprüfen und gegebenenfalls nachzujustieren. Ich empfehle, neue Lösungen und Abläufe in einem kleinen Team einzurichten und anschließend zu testen. Verläuft dies erfolgreich, kann man die neuen Prozesse auf die gesamte Kanzlei ausrollen.
Wie könnte sich das Arbeiten in Steuerkanzleien in den nächsten fünf Jahren weiterentwickeln?
Es wird nicht funktionieren, das gleiche Arbeitspensum in weniger Zeit schaffen zu wollen. Selbst bei schlanken, digitalen Prozessen dürfte es schwierig sein, in einer Vier-Tage-Woche dauerhaft das gleiche Arbeitspensum wie früher in fünf Tagen abzuarbeiten. Möglicherweise würde dies den Stress für die Mitarbeiter sogar noch verstärken. Doch für jüngere Menschen ist die 40-Stunden-Woche nicht obligatorisch. Die Work-Life-Balance zählt mitunter mehr als der monetäre Aspekt. Weniger zu arbeiten für entsprechend weniger Gehalt, ist vielen jungen Talenten wichtig. Insofern werden wir hier noch einige Veränderungen sehen – von flexiblen Arbeitszeitmodellen über immer mehr Remote Work bis hin zur wachsenden Eigenverantwortung der Mitarbeiter. Einiges wird aber auch bleiben. Menschen sind soziale Wesen. Ich gehe daher davon aus, dass das Büro weiterhin eine große Bedeutung als realer Treffpunkt haben wird. Es ist auch nach wie vor für die meisten Menschen erstrebenswert, zwischen Arbeit und Erholung zu trennen. Daher werden sich Workation-Formate in der Steuerberater-Branche eher nicht durchsetzen.
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