BMF, Schreiben v. 12.1.1998, IV A 4 - S 0460 a - 97/97
Ursprünglich kam es bei der Verzinsung nach § 233 a AO nicht darauf an, ob und inwieweit der Steuerfestsetzung ein rückwirkendes Ergebnis (vgl. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO) oder ein Verlustrücktrag (vgl. § 10 d Abs. 1 EStG) zugrunde lag. Deshalb waren auch Nachforderungs- oder Erstattungszinsen bereits ab Ablauf von 15 Monaten nach Ablauf des Steuerentstehungsjahres § 233 a Abs. 2 Satz 1 AO) festzusetzen, obwohl der Gläubiger der Steuerforderung bzw. -erstattung insoweit tatsächlich keine Liquiditätsvor- oder -nachteile hatte; vgl. dazu BFH-Beschluß vom 27.9.1994, VIII B 21/94, BFHE 175 S. 516. Um diese wirtschaftlich ungerechtfertigte Verzinsung zu vermeiden, wurden durch das JStG 1997 in § 233 a AO die Abs. 2 a und 7 eingefügt, Die Neuregelung bewirkt, daß rückwirkende Ereignisse und Verlustrückträge bei der Verzinsung nach § 233 a AO erst dann berücksichtigt werden, wenn – unter Beachtung der Karenzzeit – tatsächlich Liquiditätsvor- oder -nachteile zu verzeichnen sind. Dem besonderen Zinslauf nach § 233 a Abs. 2 a AO liegt die Überlegung zugrunde, daß die Verzinsung den Zeitraum zwischen der „abstrakten” Entstehung der Steuer und ihrer konkreten Festsetzung in Steuerbescheid oder Steueranmeldung betrifft. Anders als nach § 233 a AO a.F. ist nur danach zu unterscheiden, wann der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis „abstrakt” entsteht sowie inwieweit und ggf. wann spätere Umstände, Ereignisse und dergleichen diesen Steueranspruch „rückwirkend” verändern.
Zu den Ereignissen mit steuerlicher Rückwirkung gehören auch „offene” Gewinnausschüttungen im Sinne des § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG, die nach Ablauf des Veranlagungszeitraums, für den sie beschlossen werden, abgeflossen sind. Daraus folgt, daß grundsätzlich alle nach Ablauf eines Geschäftsjahres abgeflossenen offenen Gewinnausschüttungen bei Vorliegen auch der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen eine besondere Zinsberechnung nach § 233 a Abs. 2 a AO auslösen. Rückwirkendes Ereignis im vorstehenden Sinne ist allerdings nicht der Gewinnausschüttungsbeschluß selbst, sondern der Abfluß der Ausschüttung. Erst dieser ist Voraussetzung für die Änderung der Körperschaftsteuer gemäß § 27 Abs. 1 KStG; Abschnitt 77 Abs. 6 KStR. Der steuerrechtliche Anspruch auf Herstellung der Ausschüttungsbelastung, der handelsrechtlich grundsätzlich bereits mit Ablauf des Wirtschaftsjahres begründet wird, ist damit an die aufschiebende Bedingung geknüpft, daß diese Gewinnausschüttung nicht nur beschlossen, sondern auch tatsächlich durchgeführt wird. Erst mit Eintritt dieser Bedingung treten die hieran anknüpfenden steuerlichen Folgen ein, erst jetzt kann die Ausschüttungsbelastung, hergestellt werden, erst jetzt ändert sich „rückwirkend” die ursprünglich entstandene Körperschaftsteuer.
Der BFH hat diese Beurteilung in seinem Urteil vom 2.7.1997, I R 25/96 (BStBl 1997 II S. 714) sogar ausdrücklich bestätigt. In seiner zu § 233 a AO a.F. ergangenen Entscheidung hat der BFH festgestellt, daß der Gesetzgeber bei Einführung der Vollverzinsung die Möglichkeit hatte, entweder einen Gesetzeszweck „perfekt” mit ins einzelne gehenden Festlegungen umzusetzen oder aus Gründen des vereinfachten Gesetzesvollzugs hierauf zu verzichten. Die Forderung, etwaige Wertungsüberhänge des Gesetzes im Einzelfall durch Billigkeitsmaßnahmen abzufangen, hat der BFH nur für die alte Rechtslage ausgesprochen. In dieser Entscheidung hat der BFH aber zugleich ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber mit der Änderung des § 233 a AO durch das JStG 1997 auf der ursprünglichen „vereinfachenden” Zinsregelung beruhende Wertungsüberhänge beseitigt hat.
Die in der Verfügung der OFD Münster vom 12.2.1997, S 2813 - 10 13 - 31/7 geregelte „Vereinfachungsregelung” steht in Widerspruch zu der oben geschilderten Rechtslage. Die Verfügung ist deshalb zwischenzeitlich wieder aufgehoben worden.
Die kritisierten Rechtsfolgen des § 233 a Abs. 2 a AO können z.B. dadurch vermieden werden, daß die erstmalige Körperschaftsteuer-Festsetzung unter Berücksichtigung der offenen Gewinnausschüttung noch vor Ablauf der normalen Karenzzeit erfolgt. Die Höhe der festzusetzenden Zinsen kann auch dadurch beeinflußt werden, daß die Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen vor Ablauf der Karenzzeit an die voraussichtliche tarifliche Körperschaftsteuer angepaßt werden. Soweit dagegen bei der Festsetzung der Vorauszahlungen bereits die steuerlichen Auswirkungen der Gewinnausschüttung vorweggenommen werden, ergeben sich zwangsläufig die entsprechenden Folgerungen bei der Verzinsung nach § 233 a AO, weil insoweit die steuerlichen Auswirkungen der aufschiebenden Bedingung „Gewinnausschüttung” bereits vorweggenommen werden.
Normenkette
AO § 233 a