Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG greift nicht, wenn das Strafgericht dem Steuerpflichtigen zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine Geldauflage nach § 56b Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB erteilt.
2. § 12 Nr. 4 EStG begründet nur für Auflagen und Weisungen ein Abzugsverbot, die als strafähnliche Sanktionen die Aufgabe haben, Genugtuung für das begangene Unrecht zu schaffen.
3. Ausgleichszahlungen an das geschädigte Tatopfer fallen dagegen nicht unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG. Solche Zahlungen sind nach den allgemeinen Grundsätzen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig.
4. Der Anwendungsbereich des § 12 Nr. 4 EStG wird nicht dadurch eröffnet, dass die Auflage nach § 56b Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB, den durch die Tat verursachten Schaden wieder gutzumachen, zugleich der Genugtuung für das begangene Unrecht dient.
Normenkette
§ 12 Nr. 4 EStG, § 56b Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB
Sachverhalt
Der Kläger bezog als Diplom-Ingenieur bei einer Baufirma Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit. Im Zusammenhang mit unzulässigen Preisabsprachen unter Baufirmen wurde er rechtskräftig wegen versuchten gemeinschaftlichen Betrugs und Betrugs zu einer Gesamtstrafe von zehn Monaten verurteilt; die Strafe wurde gem. § 56 Abs. 1, Abs. 3 StGB zur Bewährung ausgesetzt. Mit Beschluss vom gleichen Tag wurde die Bewährungszeit auf zwei Jahre festgesetzt und dem Kläger u.a. zur Auflage gemacht, zugunsten eines Geschädigten als Schadenswiedergutmachung einen Geldbetrag von 100 000 DM zu zahlen. Der Kläger erfüllte die Auflage im Dezember 2001, nachdem ihm sein Arbeitgeber einen entsprechenden Geldbetrag zur Verfügung gestellt hatte. In der ESt-Erklärung setzte der Kläger den ihm vom Arbeitgeber erstatteten Betrag i.H.v. 100 000 DM als zusätzlichen Arbeitslohn an und machte den an den Geschädigten gezahlten Betrag i.H.v. 100 000 DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit geltend.
Das FA ließ diese Aufwendungen – gestützt auf § 12 Nr. 4 EStG – nicht zum Abzug als Werbungskosten zu. Die dagegen erhobene Klage war erfolgreich (FG München vom 18.10.2005, 13 K 1078/03, Haufe-Index 1562215, EFG 2006, 1666).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorinstanz. § 12 Nr. 4 EStG schloss im Streitfall nicht aus, die Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Hinweis
Der Streitfall führte den BFH in das Strafgesetzbuch (StGB), dort in den dritten Abschnitt, "Rechtsfolgen der Tat". Anlass war § 12 Nr. 4 EStG. Danach dürfen in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen, sonstige Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt, und Leistungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen, soweit die Auflagen und Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch beim Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden.
Hier war die Frage, ob die vom Landgericht (Strafkammer) zur Auflage gemachte Schadenswiedergutmachung eine Rechtsfolge vermögensrechtlicher Art war, bei der der Strafcharakter überwog.
1. Unstreitig war die zur Auflage gemachte Zahlung durch den Beruf des Klägers veranlasst und erfüllte daher den Werbungskostenbegriff i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG. Aber auch § 12 Nr. 4 EStG stand dem Abzug der festgesetzten Geldauflage als Werbungskosten nicht entgegen. Grundlage dafür war die vom BFH gefundene Abgrenzung zwischen strafähnlicher Sanktion und Schadenersatz. § 12 Nr. 4 EStG greife nur bei Auflagen und Weisungen, denen als strafähnliche Sanktionen die Aufgabe zukomme, Genugtuung für das begangene Unrecht zu schaffen. Dagegen fielen Zahlungen zum Ausgleich von Schäden nicht unter das Abzugsverbot. Solche Zahlungen sind nach den allgemeinen Grundsätzen als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abzugsfähig.
2. Strafgerichtliche Auflagen gem. § 56b Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB, § 59a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB, § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StPO und § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JGG zielten allein auf solche Schadenswiedergutmachung, der Werbungskostenabzug sei daher nicht ausgeschlossen. Auflagen, die im strafgerichtlichen Verfahren zur Wiedergutmachung von verursachten Schäden gem. § 56b Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB, § 59a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB, § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 der StPO und § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JGG auferlegt werden, dürften daher auch nur angeordnet werden, sofern das unmittelbar geschädigte Tatopfer dem Grund und der Höhe nach einen entsprechenden zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch habe. Dem Täter könnten zwar weitere Auflagen, beispielsweise nach § 56b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 bis Nr. 4 StGB erteilt, aber keine die Grenzen der zivilrechtlichen Ersatzpflichten überschreitende Wiedergutmachung auferlegt werden.
Dies gilt auch dann, wenn die Auflage zugleich der Genugtuung für das begangene Unrecht dient. Auch insoweit hebt der BFH auf die zivilrechtliche Ersatzpflicht ab: Der Ausgleich erschöpfe sich in der strafbewehrten Schadenswiedergutmachung, erfülle zivilrechtliche Ersatzpflich...