Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
a) Ziele des Gesetzgebers
Rz. 32
Leitsätze vom 17.12.1970. Die Bundesregierung hat das Gesetzgebungsverfahren zum Außensteuerreformgesetz mit sog. Leitsätzen v. 17.12.1970 eingeleitet. Aus der entsprechenden Begründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Einschaltung sog. Basisgesellschaften als ein Zentralproblem der Steuerflucht ansah. Als Basisgesellschaften verstand er solche ausländischen Körperschaften, die keiner aktiven werbenden Geschäftstätigkeit nachgingen und ihr Einkommen im Sitz- bzw. Geschäftsleitungsstaat nicht oder nur gering versteuerten. Da auch diese Körperschaften vorbehaltlich einer abweichenden Sonderregelung als eigenständige Steuersubjekte zu behandeln waren, schirmten sie das von ihnen erzielte Einkommen gegen die Besteuerung bei den inländischen Gesellschaftern ab. Die Besteuerung, die mutmaßlich bei den Gesellschaftern ohne Einschaltung der Basisgesellschaft einsetzen würde, entfiel bis zu dem Zeitpunkt, in dem sie das aufgefangene Einkommen an sich ausschütten ließen.
Rz. 33
Entscheidung des Gesetzgebers in 1972. Der Gesetzgeber hat sich im Jahre 1972 für die 4. der in Rz. 1 genannten Alternativen entschieden. Steuerlich betrachtet anerkannte er sowohl die Existenz der ausländischen Basisgesellschaft als auch deren Zwischenschaltung als selbständiges Einkünfteerzielungssubjekt. Die ausländische Basisgesellschaft wurde nicht als Betriebsstätte ihrer unbeschränkt stpfl. Gesellschafter behandelt. Die Besteuerung der unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter setzte vielmehr bei einer fiktiv angenommenen Ausschüttung an. Die objektive Steuerpflicht folgte damit aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, der durch § 10 Abs. 2 inhaltlich erweitert wurde. Dies ergibt sich sehr deutlich aus der Begründung zum 1. Gesetzesleitsatz zu Abschn. IV (Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften) der Leitsätze der Bundesregierung v. 17.12.1970. Jedoch führte der Gesetzgeber diesen gedanklichen Ansatz nicht konsequent zu Ende. Die Ausschüttungsfiktion hätte bei einem nach ausländischem Recht ermittelten Gewinn ansetzen müssen. Auch hätte die Niedrigbesteuerung auf dem nach ausländischem Recht ermittelten Gewinn aufbauen müssen. Es ist ein Widerspruch in sich, dass abweichende Bemessungsgrundlagen bzw. die unterschiedliche Besteuerung von Umwandlungen im In- und Ausland eine Niedrigbesteuerung begründen können. Auch stellt sich die Frage, weshalb die Beteiligung an einer ausländischen Zwischengesellschaft "schärfer", als die an einer inländischen Zwischengesellschaft besteuert werden darf.
Rz. 34
Reform der Hinzurechnungsbesteuerung im Jahr 2021. Mit dem ATADUmsG v. 25.6.2021 wurde die 1972 in §§ 7 ff. eingeführte Hinzurechnungsbesteuerung an den verpflichtenden Mindeststandard des Art. 7 und 8 ATAD (Rz. 18 ff.) angepasst. Folgt man der Gesetzesbegründung, hat sich die bisherige Ausgestaltung der Hinzurechnungsbesteuerung bewährt; denn sie stelle "eine robuste Regelungseinheit zur Verhinderung steuerlich inzidierter, nicht notwendigerweise missbräuchlicher, Verlagerung von passiven Einkünften ins niedrig besteuerte Ausland dar." Die Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung hat sich damit durch die Reform 2021 des ATADUmsG v. 25.6.2021 nicht geändert: Verhindert werden soll, dass (passive) Einkünfte aus rein steuerlichen Gründen in eine im Ausland ansässige beherrschte und einer niedrigen Besteuerung unterliegende Gesellschaft verschoben ("verlagert") werden. Die Hinzurechnungsbesteuerung ist damit ein klassisches Instrument der Vermeidung von "Base Erosion and Profit Shifting"; dies wurde von der OECD im Rahmen des BEPS-Projekts zum Ausdruck gebracht (Rz. 5 ff.). Nicht geändert hat sich ferner die systematische Ausgestaltung der Hinzurechnungsbesteuerung, indem die Abschirmwirkung der ausländischen Zwischengesellschaft durch eine fiktive Gewinnausschüttung besteuert wird (Alternative 4 in Rz. 1 sowie Rz. 48). Dies soll – so die Begründung des ATADUmsG – "eine angemessene Vorbelastung der Gewinne auf Ebene der ausländischen Körperschaft sicherstellen". So ließe sich auch die (Teil-)Freistellung von Gewinnausschüttungen bei der Einkommensteuer (§ 3 Nr. 40 EStG) und bei der Körperschaftsteuer (§ 8b KStG) nur "bei einer angemessenen Vorbelastung der ausgeschütteten Gewinne rechtfertigen." Auch im Hinblick auf thesaurierte Gewinne käme es insoweit zu einer angemessenen Besteuerung, die "zielgenau losgelöst von etwaigen Ausschüttungen" erfolgt.
b) Gesetzesänderungen
Rz. 35
Gesetzesänderungen bis zum 31.12.1979. In der Zeit bis zum 31.12.1979 wurden die §§ 7–14 nur zweimal geändert. Durch Art. 11 des EG-EStRG v. 21.12.1974 wurde die Verweisung in § 10 Abs. 3 auf "§ 4 Abs. 1 oder 5 EStG" durch die Formulierung "§ 4 Abs. 1 oder § 5 EStG" ersetzt. Im EGKStRG v. 6.9.1976 wurde die Mindestbeteiligungsquote des § 8 Abs. 2 mit dem Erfordernis verbunden, dass die Beteiligung ununterbrochen seit mindestens zwölf Monaten vor dem für die Er...