Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 99
Niedrigbesteuerungsschwelle von 25 % bis 31.12.2023. Als weitere Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung definierte § 8 Abs. 5 AStG i.d.F. ATADUmsG die Voraussetzung einer niedrigen Besteuerung. Eine solche wurde bis 31.12.2023 (§ 21 Abs. 6) angenommen, wenn die Einkünfte, für welche die ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, einer ertragsteuerlichen Belastung von weniger als 25 % unterliegen. Dies entsprach dem vormaligen § 8 Abs. 3 a.F. Das Festhalten am bisherigen Wert wurde ausweislich der Gesetzesbegründung mit den laufenden Arbeiten der OECD zur Einführung einer globalen Mindestbesteuerung (Rz. 30 f.) begründet; diesen Entwicklungen sollte "durch unilaterale Regelungen" nicht vorgegriffen werden. Etwas überraschend wurde weiter ausgeführt, dass die Niedrigbesteuerungsschwelle sich am Niveau der hälftigen ertragsteuerlichen Belastung inländischer Steuerpflichtiger mit KStG und GewSt orientiere. Dies ist nicht sachgerecht (s. auch Rz. 21). Auch unter Berücksichtigung durchschnittlicher Gewerbesteuerhebesätze und des Solidaritätszuschlags beläuft sich die Gesamtbelastung von Kapitalgesellschaften damals wie heute auf allenfalls knapp über 30 % und liegt somit nur wenige Prozentpunkte über der vermeintlichen Niedrigbesteuerungsschwelle gem. § 8 Abs. 5 AStG i.d.F. ATADUmsG. Mithin wird deutlich, dass das (zu lange) Festhalten am Referenzsteuersatz i.H.v. 25 % verfehlt war und jeder Logik entbehrte. Systematisch verfehlt war i.d.Z. auch die Entstehung von Anrechnungsüberhängen bei einer Besteuerung der ausländischen Zwischengesellschaft mit einem Steuersatz von zwischen 15 % und 25 %. Zu Einzelheiten kann auf Rz. 21 verwiesen werden.
Rz. 99.1
Verfassungs- und unionsrechtliche Zweifel an der Niedrigbesteuerungsschwelle. In seinem Beschluss v. 13.9.2023 (I B 11/22) lässt der BFH erkennen, dass verfassungs- und unionsrechtliche Zweifel an der Hinzurechnungsbesteuerung, genauer an der Niedrigbesteuerungsschwelle i.S.d. § 8 Abs. 3 AStG a.F. (25 %), bestehen. Der BFH vergleicht hierbei die Niedrigbesteuerungsschwelle mit der niedrigsten nationalen Gesamtsteuerbelastung unbeschränkt Steuerpflichtiger i.S.d. § 1 Abs. 1 KStG. Diese beträgt unter Einbeziehung der Gewerbesteuer 22,825 %. Für den Streitfall, in dem eine in Hongkong ansässige Ltd. Zwischengesellschaft für die in Deutschland ansässigen Gesellschafter war, konnte angesichts der Nullbesteuerung der streitgegenständlichen Einkünfte in Hongkong die Frage der Konformität mit Verfassungs- und Unionsrecht offen bleiben. Die sichtliche Diskrepanz zwischen Niedrigbesteuerungsschwelle und nationaler Steuerbelastung zeitigt gleichwohl eher den Charakter einer Strafbesteuerung denn einer Missbrauchsabwehr (vgl. Rz. 10, 63). Sie kann daher in anders gelagerten Fällen – insbesondere jenen, in denen eine Niedrigbesteuerung trotz mindestens 22,825 % ausländischer Steuerbelastung bejaht wird – eine nähere verfassungs- und unionsrechtliche Prüfung des § 8 Abs. 3 AStG a.F. bzw. des § 8 Abs. 5 AStG i.d.F. ATADUmsG erforderlich machen.
Rz. 99.2
Absenkung der Niedrigbesteuerungsschwelle auf 15 % ab 1.1.2024. Mit dem Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz (MinBestRL-UmsG) v. 21.12.2023 wurde mit Wirkung zum 1.1.2024 (§ 21 Abs. 6) die Niedrigbesteuerungsschwelle nach § 8 Abs. 5 von 25 % auf 15 % abgesenkt (Rz. 42.1). Damit stellt der Gesetzgeber einerseits Gleichlauf mit den Regelungen über eine globale Mindestbesteuerung her (Rz. 30 f.). Andererseits entspricht er durch diese Maßnahme stärker dem Leitbild, die Hinzurechnungsbesteuerung solle rechtsmissbräuchliche Steuergestaltungen erfassen, in denen – so nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b ATAD – das hälftige inländische Besteuerungsniveau unterschritten wird (vgl. Rz. 32).
Rz. 100
Bestimmung des Steuersatzes. Wie bisher kommt es nach § 8 Abs. 5 darauf an, ob die passiven Einkünfte niedrig besteuert sind. Wenngleich Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b ATAD auf die Steuerlast der Zwischengesellschaft für alle Einkünfte abstellt (einschließlich der aktiven Einkünfte), ist die Fortführung der bisherigen Rechtslage sachgerecht. Denn die Durchschnittsbetrachtung der ATAD kann zu einer nicht systemgerechten "Vermischung" aktiver und passiver Einkünfte zur Bestimmung der Niedrigbesteuerung führen. Zutreffend weist daher die Gesetzesbegründung darauf hin, dass es dem Sinn und Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung entspricht, die Verlagerung passiver und niedrig besteuerter Einkünfte zu verhindern und infolgedessen für die Feststellung der Niedrigbesteuerung auf die passiven Einkünfte abzustellen ist.