Leitsatz
Die Rück- bzw. Vortragsfähigkeit einer sog. Großspende ("Einzelzuwendung von mindestens 50.000 DM") setzt voraus, dass der Spendenbetrag beide in § 10b Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG genannten Höchstsätze überschreitet.
Normenkette
§ 10b Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Die Kläger, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, erzielen u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Jahr 1996 leisteten sie eine Spende i.H.v. 250.000 DM, die nach der dem FA vorliegenden Spendenbescheinigung zur Förderung der Kunst und Kultur bestimmt war. Im Jahr 1996 war der Gesamtbetrag der Einkünfte der Kläger negativ. Die Summe der gesamten Umsätze und aufgewendeten Löhne und Gehälter im Rahmen ihrer gewerblichen Betätigung belief sich auf 138.885.604 DM.
Im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1995 beantragten die Kläger, die Spende in voller Höhe aus dem Jahr 1996 in das Jahr 1995 zurückzutragen. Das FA versagte den Rücktrag mit der Begründung, dass der Spendenbetrag zwar den Höchstsatz von 10 % des Gesamtbetrags der Einkünfte überschreite, nicht zugleich aber den Höchstsatz von 2 Promille der Summe der von den Klägern im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit erlösten Umsätze und aufgewendeten Löhne und Gehälter.
Das FG gab der Klage statt (EFG 2003, 1616). Es reiche aus, dass einer der beiden genannten Höchstsätze überschritten sei. Nur diese Auslegung werde dem Gesetzeszweck gerecht, eine gewisse Stetigkeit des Spendenaufkommens zu erreichen.
Entscheidung
Der BFH hob auf die Revision des FA das FG-Urteil auf und wies die Klage ab.
Ein Rücktrag der Spende komme nicht in Betracht, weil beide der in § 10b Abs. 1 und 2 EStG aufgeführten Höchstsätze überschritten sein müssten.
Hinweis
1. § 10b Abs. 1 Satz 3 EStG 1996 (jetzt: Abs. 1 Satz 4) enthält eine Regelung zur Rück- bzw. Vortragsfähigkeit sog. Großspenden, d.h. Spenden von mindestens 50.000 DM (jetzt: 25.565 5). Diese sog. Großspendenregelung ist durch das Kultur- und Stiftungsförderungsgesetz vom 13.12.1990 (BStBl I 1991, 51) eingeführt worden. Der Gesetzgeber wollte damit erreichen, dass große Spenden, soweit sie wegen der Abzugsbegrenzung auf Höchstbeträge im Jahr der Erbringung der Spende nicht in voller Höhe als Sonderausgaben abziehbar sind, noch in früheren oder späteren Veranlagungszeiträumen steuerlich berücksichtigt werden können. Dementsprechend bestimmt die neue Regelung, dass bei einer Überschreitung der Höchstsätze die Spende im Rahmen der Höchstsätze zunächst im Veranlagungszeitraum der Zuwendung, dann in den zwei vorangegangenen (jetzt: im vorangegangenen) und in den fünf folgenden Veranlagungszeiträumen abzuziehen ist. Überschreitet eine Großspende die Höchstsätze nicht, ist sie insgesamt im Veranlagungszeitraum der Zahlung abzuziehen.
2.§ 10b Abs. 1 Satz 1 EStG führt zunächst zwei unterschiedliche Höchstsätze auf, bis zu denen Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser, wissenschaftlicher und als gemeinnützig anerkannter Zwecke als Sonderausgaben abzugsfähig sind. In Satz 3 (jetzt: Satz 4) ist dann bestimmt, dass eine Großspende rück- oder vorgetragen werden kann, wenn sie "diese Höchstsätze" überschreitet. Diese Formulierung – so der BFH – ist dahingehend auszulegen, dass beide Höchstsätze überschritten sein müssen. Dafür spricht außer dem Wortlaut auch der Sinn und Zweck der fraglichen Regelung.
3. Das Gesetz will dem Spender die Möglichkeit des Rück- oder Vortrags einer Großspende nur dann eröffnen, wenn er seine Spende auf Grund deren Höhe nicht voll im Zuwendungsjahr abziehen kann, nicht aber auch dann, wenn sich – wie im Streitfall – der Spendenbetrag wegen eines negativen Gesamtbetrags der Einkünfte steuerlich nicht auswirken kann. Insoweit ist eine Großspende nicht anders zu behandeln als jede andere Spende auch. Der Gesetzgeber wollte nämlich bei der Einführung der Großspendenregelung ausdrücklich keine Abkehr vom Grundsatz der Jahresbesteuerung.
Dazu würde es aber kommen, wenn man der Auslegung des FG folgt und einen Rück- oder Vortrag der Spende schon bei der Überschreitung nur eines der beiden Höchstsätze zulässt. Denn im Fall eines negativen Gesamtbetrags der Einkünfte wäre der Höchstsatz "5 % des Gesamtbetrags der Einkünfte"stets überschritten. Könnte daraufhin der gesamte Spendenbetrag rück- oder vorgetragen werden, hätte das zur Folge, dass eine Spende ab 50.000 DM in vollem Umfang wirksam würde, eine Spende bis 49.999 DM sich aber wegen des negativen Gesamtbetrags der Einkünfte endgültig steuerlich nicht auswirken könnte. Diese Ungleichbehandlung würde Art. 3 GG zuwiderlaufen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 4.5.2004, XI R 34/03