Die in Art. 138 Abs. 1a MwStSystRL verwendete Formulierung zur Heilbarkeit von fehlerhaften ZM findet sich in der aktuellen Fassung des § 4 Nr. 1b UStG nicht wieder.
Keine Steuerbefreiung bei mangelhafter ZM: Nach Art. 138 Abs. 1a MwStSystRL gilt die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen bei Mängeln in der ZM-Deklaration nicht, es sei denn, der Lieferer kann sein Versäumnis zur Zufriedenheit der zuständigen Behörden ordnungsgemäß begründen, oder wenn er – wie es im siebten Erwägungsgrund zur Richtlinie (EU) 2018/1910 des Rates v. 4.12.2018 ausgedrückt ist – in Bezug auf die Versäumnisse bzgl. seiner ZM in gutem Glauben gehandelt hat, wofür er auf wahrheitsgemäße Angaben seines Abnehmers angewiesen ist.
Berichtigungsmöglichkeit und Rückwirkung bei einer fehlerhaften ZM: In § 4 Nr. 1b Satz 2 UStG ist lediglich geregelt, dass § 18a Abs. 10 UStG unberührt bleibt. Nach dieser Vorschrift ist der Unternehmer verpflichtet, wenn er nachträglich erkennt, dass eine von ihm abgegebene ZM unrichtig oder unvollständig ist, die ursprüngliche ZM innerhalb eines Monats zu berichtigen. Berichtigt der Unternehmer eine ursprünglich unrichtig oder unvollständig abgegebene ZM, wirkt diese Berichtigung für Zwecke der Gewährung der Steuerbefreiung auf den Zeitpunkt des Umsatzes zurück. Entsprechendes gilt für die verspätete Abgabe einer richtigen und vollständigen Meldung. In diesem Fall bleibt es bei der Steuerbefreiung für die entsprechende innergemeinschaftliche Lieferung, wenn auch die weiteren Voraussetzungen des § 6a UStG erfüllt sind. Die Berichtigung von Fehlern in einer anderen ZM als der ursprünglichen führt aber zu keinem Aufleben der Steuerfreiheit für die betreffende Lieferung.
Pilot-Verfahren gegen Deutschland: Die Europäische Kommission hat wegen der vermeintlich unzureichenden Umsetzung von Art. 138 Abs. 1a MwStSystRL im nationalen Recht inzwischen gegen Deutschland ein Pilot-Verfahren eingeleitet. Dabei erkundigt sich die Kommission, wie Deutschland die darin enthaltene Exkulpationsregelung anwendet. Der unionsrechtliche Ansatz geht davon aus, dass die Steuerbefreiung auch für den Fall gilt, dass eine ZM nicht oder unvollständig abgegeben wird, dieser Mangel aber später korrigiert wird. Nach dem nationalen Ansatz ist aber bei Nichtabgabe oder fehlerhafter Abgabe einer ZM von einer Versagung der Steuerbefreiung, also von einer steuerpflichtigen Lieferung auszugehen. Die Kommission befürchtet daher, dass die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen nur gewährt wird, wenn der Steuerpflichtige eine korrekte, vollständige und fristgerechte ZM abgegeben hat. Die nationale Regelung scheine nicht vorzusehen, dass die Befreiung auch gewährt wird, wenn (zunächst) keine ZM abgegeben wird oder die ZM nicht die erforderlichen korrekten Angaben enthält, aber der Lieferer sein Versäumnis zur Zufriedenheit der zuständigen Behörden ordnungsgemäß begründen kann.
Die in § 18a Abs. 10 UStG geregelte Frist dient ausschließlich den Zwecken der Durchführung eines ordnungsgemäßen innergemeinschaftlichen Kontrollverfahrens sowie eines etwaigen Bußgeldverfahrens (§ 26a Abs. 1 Nr. 5 UStG). Die Verpflichtung zur Abgabe einer richtigen und vollständigen ZM für Zwecke der Steuerbefreiung nach§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG besteht daher auch über die in § 18a Abs. 10 UStG genannte Frist hinaus. Unabhängig vom Zeitpunkt des Erkennens des Mangels entfaltet die erstmalige Abgabe einer ZM oder die Berichtigung einer fehlerhaften ZM durch den Unternehmer innerhalb der Festsetzungsfrist für Zwecke der Steuerbefreiung Rückwirkung.
Die Möglichkeit einer rückwirkenden Berichtigung besteht auch, wenn der leistende Unternehmer mehrfach korrigierte ZM abgegeben hat, etwa, weil der Leistungsempfänger wiederholt die falsche USt-IdNr. mitteilt. Zwar ist die ZM nach der erfolglosen Korrektur nach wie vor unrichtig. Dies konnte aber der leistende Unternehmer nicht erkennen.
Schließlich besteht die Möglichkeit einer rückwirkenden Berichtigung, wenn die zunächst abgegebene ZM zunächst richtig war und erst später unrichtig wird. Dieser Fall tritt bspw. ein, wenn der Abnehmer die USt-IdNr. erst nachträglich verwendet.
Fraglich ist, ob die Finanzämter einen Entscheidungsspielraum für die Beantwortung der einzelfallbezogenen Frage haben, ob der Unternehmer sein Versäumnis (zunächst nicht bzw. fehlerhafte Abgabe der ZM für den betreffenden Meldezeitraum) zur Zufriedenheit der zuständigen Finanzbehörde begründen kann.
Darstellung diverser denkbarer Konstellationen: In Punkt 4.3.6 der Explanatory Notes sind drei beispielhaft vorstellbare Konstellationen dargestellt, in denen von einer hinreichenden Begründung für das Versäumnis eines Lieferers (sofern die Steuerbehörden keinen Grund zu der Annahme haben, dass das Versäumnis Bestandteil eines Betrugskomplotts ist) ausgegangen werden kann: Vorausgesetzt, der Unternehmer korrigiert seinen Fehler, soll die Angabe der Lieferung in einer ZM eines falschen Meldezeitraums und ...