Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe
Leitsatz
§ 3a Abs. 2 Satz 1 EStG verlangt keine überwiegende Identität eines Unternehmens vor der Sanierung mit dem anschließend Betriebenen.
§ 3a Abs. 2 EStG erfordert eine Prüfung der Ertrags- und der Finanzlage, des Verhältnisses der liquiden Mittel zur Höhe der Schuldenlast und der Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens. Sanierungsbedürftigkeit ist jedenfalls gegeben, wenn ein Insolvenzantragsgrund vorliegt.
Wesentliche Indizien für das Bestehen der Sanierungseignung sind ein nachvollziehbares und prüfbares Sanierungskonzepts oder ein rückblickend erfolgreicher Abschluss der Sanierung.
Für die Sanierungsabsicht ist nicht erforderlich, dass ein Schuldenerlass aus selbstlosen Motiven erfolgt. Eigennützige Motive sind unschädlich, wenn die Sanierungsabsicht zumindest mitentscheidend ist.
Sachverhalt
Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Im Jahresabschluss wies diese einen Jahresüberschuss von 897.000 EUR aus, wobei die darin enthaltenen außerordentlichen Erträge 925.000 EUR betrugen. Diese beruhten auf einem Forderungsverzicht einer Bank, die die BANK im Rahmen eines Vergleichs ausgesprochen hatte.
In der Feststellungserklärung erklärte die KG einen Gewinn von 897.000 EUR. In einem kurz darauf verfassten Schreiben wies die KG darauf hin, dass darin ein Sanierungsgewinn in Höhe von 925.000 EUR enthalten sei. Dieses Schreiben kam bei den Akten jedoch nicht an, sodass dieses bei der Veranlagung keine Berücksichtigung fand.
Gegen die Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein und beantragt die Berücksichtigung des steuerfreien Sanierungsgewinns. Das Finanzamt wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreistellung des Sanierungsertrags seien nicht erfüllt, da der bisherige Baubetrieb eingestellt und in einen Verpachtungsbetrieb umgewandelt worden sei. Betriebliche Gründe seien nicht ersichtlich, da mangels Arbeitnehmern kein Sozialplan erstellt worden sei. Zudem liege keine Sanierungsabsicht der Bank vor, da diese nur das bestmögliche Ergebnis für sich erzielen wollte.
Entscheidung
Das FG gab der Klage statt. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit des Sanierungsertrages haben im maßgeblichen Zeitpunkt des Schuldenerlasses vorgelegen.
Ein Unternehmen ist dann sanierungsbedürftig, wenn es ohne die Sanierung nicht fortgeführt werden kann Dazu ist eine Prüfung der Ertrags- und der Finanzlage, des Verhältnisses der liquiden Mittel zur Höhe der Schuldenlast und der Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens notwendig. Liegt ein Insolvenzantragsgrund vor, liegt auch die Sanierungsbedürftigkeit vor. Dabei ist nicht nur auf das Unternehmen der Gesellschaft, sondern auch auf das Vermögen persönlich unbeschränkt haftender Gesellschafter abzustellen.
Vorliegend lag sowohl eine Überschuldung als auch eine drohende Zahlungsunfähigkeit vor. Bürgschaften waren nicht werthaltig. Damit ergab sich eine Sanierungsbedürftigkeit im Zeitpunkt des Schuldenerlasses.
Für die Sanierungsfähigkeit/Sanierungseignung ist erforderlich, dass der Schuldenerlass bzw. weitere Sanierungsmaßnahmen das Überleben des Unternehmens sichern. Nach den Feststellungen des FG waren diese Vorgaben erfüllt, da insbesondere durch den Wegfall der Zinsverpflichtung eine Sanierung ermöglicht wurde. Auch verlange die Rechtslage keine Identität des zu sanierenden Unternehmens mit dem sanierten Unternehmen.
Das FG stellte darüber hinaus fest, dass die Bank den Schuldenerlass mit Sanierungsabsicht aussprach. An diese Absicht sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung keine strengen Anforderungen zu stellen. Dass der Gläubiger mit dem Forderungserlass eigene Motive verfolge und der Erlass dazu diene, einen Teil seiner Restforderung oder eine Geschäftsverbindung zu retten, stelle die Sanierungsabsicht nicht infrage.
Hinweis
Das FG hat mit der Entscheidung nur festgestellt, dass der Schuldenerlass einen steuerfreien Sanierungstrag im Sinne des § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG darstellt. Weitere Feststellungen muss das Finanzamt noch treffen. Dazu gehört insbesondere die Berechnung nach § 3a Abs. 3 EStG.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil v. 10.12.2024, 15 K 2520/19 F