Leitsatz
Die Anwendung des ermäßigten Biersteuersatzes gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 BierStG setzt nicht den Betrieb eines Steuerlagers durch die Brauerei voraus.
Normenkette
§ 2 Abs. 2 Satz 1 BierStG, § 1 Nr. 9 BierStV, Art. 80 GG, § 139 Abs. 1 AO
Sachverhalt
Die Klägerin stellte Bier im Brauverfahren her, ohne über eine Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers zu verfügen. Ihre Gesamtjahreserzeugung beträgt weniger als 200.000 hl. Sie ist rechtlich und wirtschaftlich von anderen Brauereien unabhängig und benutzt Betriebsräume, die räumlich von anderen Brauereien getrennt sind. In ihren Steueranmeldungen ging die Klägerin vom ermäßigten Steuersatz i.S.v. § 2 Abs. 2 BierStG aus. Davon abweichend nahm das HZA den Regelsteuersatz nach § 2 Abs. 1 BierStG an, weil die Klägerin mangels Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers keine Brauerei betreibe.
Das FG gab dem HZA Recht (FG Bremen, Urteil vom 30.10.2019, 1 K 148/17 (5), Haufe-Index 13542436). Die ermäßigten Steuersätze kämen nur dann zur Anwendung, wenn es sich bei der unabhängigen Brauerei um ein Steuerlager handele. Durch § 1 Nr. 9 BierStV habe zwar keine verbindliche Definition des in § 2 Abs. 2 BierStG verwendeten Begriffs der Brauerei erfolgen sollen und können. Eine einschränkende Definition des Begriffs der Brauerei wäre auch nicht von der Verordnungsermächtigung des § 29 Abs. 3 Nr. 2 BierStG gedeckt. Jedoch ergebe sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Steuerermäßigung, dass diese nur für Steuerlager gelte. Bei der Herstellung ohne Erlaubnis handele es sich dagegen um eine grundsätzlich nicht erwünschte Sachverhaltsgestaltung.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie ist der Ansicht, § 2 Abs. 2 BierStG in der Auslegung des FG verstoße gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot und damit gegen den Parlamentsvorbehalt. Gleiches gelte im Falle einer Regelung des Brauereibegriffs durch § 1 Nr. 9 BierStV. Brauereien ohne Erlaubnis von der Steuervergünstigung auszuschließen, wäre darüber hinaus nicht mit Art. 3 GG vereinbar und widerspräche dem Förderziel der EU sowie dem Ziel des deutschen Gesetzgebers.
Entscheidung
Der BFH hat zwar das Vorliegen einer Brauerei bejaht, konnte aber in der Sache nicht selbst entscheiden, weil sich die (ermäßigten) Steuersätze je nach der im Jahr erzeugten Menge unterscheiden und diesbezüglich Feststellungen des FG fehlten. Im zweiten Rechtsgang hat das FG somit die Jahreserzeugung der Klägerin i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 7 BierStG festzustellen, um abschließend entscheiden zu können, in welchem Umfang sich der Regelsteuersatz i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 3 BierStG im Streitfall ermäßigt.
Hinweis
1. Innerhalb kurzer Zeit hatte der BFH erneut einen Fall zur Biersteuer zu entscheiden. Erst 2020 hatte der BFH zu Biermischgetränken geurteilt (BFH, Urteil vom 26.5.2020, VII R 58/18, BFH/NV 2020, 1318).
2. Im Streitfall ging es um den Begriff der Brauerei als einen der Kernbegriffe des BierStG. Das HZA wollte eine Brauerei nur annehmen, wenn es sich um ein Steuerlager handelt. Darunter versteht man nach § 4 BierStG Orte, an oder von denen Bier unter Steueraussetzung im Brauverfahren oder auf andere Weise hergestellt, bearbeitet oder verarbeitet, gelagert, empfangen oder versandt werden darf. Der Inhaber bedarf nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BierStG einer Erlaubnis, die auf Antrag Personen erteilt wird, gegen deren steuerliche Zuverlässigkeit keine Bedenken bestehen und die ordnungsmäßig kaufmännische Bücher führen und rechtzeitig Jahresabschlüsse aufstellen. Über eine solche Erlaubnis verfügte die Klägerin nicht.
Im Kern geht es also um die Möglichkeit des HZA, im Rahmen der Steueraufsicht den Ablauf der Herstellung, die Be- oder Verarbeitung sowie den Verbleib der verbrauchsteuerpflichtigen Waren verfolgen zu können. Dieses Interesse der Verwaltung an der Steueraufsicht hat der BFH durchaus anerkannt.
3. Jedoch führte dies nicht dazu, dass der BFH auch ein Steuerlager für erforderlich hält, um eine Brauerei anzunehmen. Der BFH kam unter Anwendung der klassischen Auslegungsmethoden – eine Definition fehlt im BierStG – zu dem Schluss, dass die ermäßigten Steuersätze auch für Brauereien gelten, die nicht über eine Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers verfügen. Er stützte sich auf die Systematik und Historie des Gesetzes und nahm auch unionsrechtliche Grundlagen in den Blick. Das maßgebliche Unionsrecht (Art. 4 RL 92/83) zielt nämlich darauf ab, Erleichterungen für kleine Brauereien zu schaffen, und enthält keine Beschränkung auf Inhaber von Steuerlagern.
4. Soweit das HZA der Ansicht war, die in § 1 Nr. 9 BierStV enthaltene Definition der Brauerei (jedes Steuerlager, in dem Bier unter Steueraussetzung im Brauverfahren hergestellt und gelagert werden darf) müsse auch für das BierStG gelten, weil eine unterschiedliche Auslegung vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sei, ist der BFH dem entgegengetreten. Bei dieser Argumentation übersieht das HZA schon den wesentlichen Unterschied zwischen einem förmlichen Gesetz und einer Rechtsverordnung. ...