Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Ist in der Wohnung des Steuerpflichtigen. eine andere Person mit Haupt- oder Nebenwohnsitz gemeldet, wird widerlegbar vermutet, dass sie mit dem Steuerpflichtigen in einer Haushaltsgemeinschaft lebt.
Sachverhalt
Streitig war die Frage, ob die Wohnsitzmeldung beim Entlastungsbetrag für Alleinerziehende eine unwiderlegliche Vermutung der Haushaltszugehörigkeit begründet. Der verwitwete Steuerpflichtige ist Vater einer am 4.1.1989 geborenen Tochter, die als Auszubildende aus diesem Ausbildungsverhältnis im Streitjahr 2010 eine Ausbildungsvergütung i. H. v. 10.105,45 EUR bezog. Die Tochter ist in der Wohnung des Steuerpflichtigen, der für seine Tochter Kindergeld bezieht, gemeldet. Die Tochter wohnt jedoch in einer im Eigentum des Steuerpflichtigen stehenden anderen Wohnung. Der Steuerpflichtige ist im Gegensatz zum Finanzamt, das die Gewährung des Entlastungsbetrages verwehrte, der Auffassung, dass ihm der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) zustehe. Die Haushaltszugehörigkeit des Kindes werde ohne weitere Prüfung typisierend unterstellt, wenn es in der Wohnung des Steuerpflichtigen gemeldet sei. Auf die tatsächlichen Verhältnisse komme es nicht an; die Vermutung der Haushaltszugehörigkeit könne nicht widerlegt werden.
Entscheidung
Das FG wies die Klage ab, und entschied, dass zwar die Tochter des Steuerpflichtigen unstreitig in seinem Haushalt gemeldet war, tatsächlich aber in einer anderen Wohnung lebte. Dabei sieht das FG in § 24b Abs. 1 Satz 2 EStG eine Beweislastregel. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bewirkt eine Steuerminderung, so dass grundsätzlich der Steuerpflichtige nach allgemeinen Beweislastregeln das Vorliegen der Voraussetzungen des Entlastungsbetrages darzutun hat. Dies würde ohne § 24b Abs. 1 Satz 2 EStG auch für die Haushaltszugehörigkeit gelten. § 24b Abs. 1 Satz 2 EStG kehrt die Beweislast um, so dass bei Meldung des Kindes im Haushalt des Steuerpflichtigen bis zum Beweis des Gegenteils von einer Haushaltszugehörigkeit des Kindes auszugehen ist. Da die Tochter unbestritten nicht in der Wohnung des Steuerpflichtigen lebt, ist die Vermutung der Haushaltszugehörigkeit widerlegt. Der Umstand, dass das Gesetz von keiner durch die Meldung bei der Meldebehörde bewirkten unwiderleglichen Vermutung der Haushaltszugehörigkeit ausgeht, ist § 24b Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG zu entnehmen, wo ausdrücklich klargestellt wird, dass die Vermutung der Haushaltszugehörigkeit einer für diese Wohnung gemeldeten Person widerlegbar ist. Gegen die Annahme einer durch die Meldung bewirkten unwiderleglichen Vermutung der Haushaltszugehörigkeit spricht auch, dass dies im Widerspruch zu den melderechtlichen Vorschriften stehen würde. Nach Auffassung des FG kann es nicht richtig sein, dass dem Steuerpflichtigen deshalb der Entlastungsbetrag zuerkannt wird, weil seine Tochter ein melderechtlich unzulässiges und mit einem Bußgeld bis zu 500 EUR belegtes Verhalten an den Tag gelegt hat; denn es ist nicht Zweck des § 24b EStG, Verstöße gegen das Melderecht zu belohnen.
Hinweis
Die Frage, ob die Meldung des Kindes in der Wohnung des Steuerpflichtigen gem. § 24b Abs. 1 Satz 2 EStG eine unwiderlegliche Vermutung der Haushaltszugehörigkeit begründet oder nicht, wird im Schrifttum kontrovers diskutiert und ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Gegen die Entscheidung wurde Revision eingelegt, die unter dem Az. III R 9/13 anhängig ist. Betroffene Steuerpflichtige sollten daher Einspruch einlegen und Ruhen des Verfahrens (§ 363 Abs. 2 AO) beantragen.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.01.2013, 3 K 12326/12