LfSt Bayern v. 5.12.2014, S 3837.1.1 - 4/2 St 34
Der BFH hat bereits mit Urteil vom 17.3.2004, II R 3/01 (BStBl 2004 II S. 429) entschieden, dass der vorzeitige unentgeltliche Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht zwar den Tatbestand der freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt, eine steuerliche Doppelerfassung des Nießbrauchsrechts als Folge der Nichtberücksichtigung als Abzugsposten nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. einerseits und beim späteren Verzicht des Berechtigten andererseits bei der Besteuerung des Verzichts jedoch durch Abzug des bei der Besteuerung des nutzungsrechtsbelasteten Gegenstandes unberücksichtigt gebliebenen Steuerwerts des Nutzungsrechts vom Steuerwert des Nutzungsrechts im Zeitpunkt des Rechtsverzichts zu beseitigen ist (vgl. H E 25 „Verzicht auf Nutzungsrechte in den Fällen des § 25 ErbStG a.F. bei Steuerentstehungszeitpunkten für die Vermögenszuwendung unter Nießbrauchsvorbehalt vor dem 1.1.2009” ErbStH 2011).
Unter Ausweitung seiner o.g. Rechtsprechung hat der BFH mit Urteil vom 20.5.2014, II R 7/13 (BStBl 2014 II S. 896) entschieden, dass die o.g. Rechtsgrundsätze ebenfalls anzuwenden sind, wenn das Nießbrauchsrecht bei der Besteuerung des Erwerbs des nutzungsrechtsbelasteten Gegenstandes aufgrund der Abzugsbeschränkung des § 10 Abs. 6 ErbStG (teilweise) tatsächlich unberücksichtigt geblieben ist.
Ist ein (teilweise) steuerbefreiter Zuwendungsgegenstand mit einem Nutzungsrecht belastet, so wird dieses insoweit bei der Besteuerung des Erwerbs des nutzungsrechtsbelasteten Gegenstandes gem. § 10 Abs. 6 ErbStG als nicht abzugsfähig behandelt.
Ein späterer unentgeltlicher Verzicht auf dieses Nutzungsrecht erfüllt den Tatbestand der freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Eine Doppelerfassung des Nutzungsrechts wird dergestalt vermieden, dass der Teil des Steuerwerts des Nutzungsrechts, welcher bei der Besteuerung des nutzungsrechtsbelasteten Gegenstands gem. § 10 Abs. 6 ErbStG nicht zum Abzug zugelassen wurde, bei der Besteuerung des Erwerbs aus dem Rechtsverzicht vom Steuerwert des Nutzungsrechts im Zeitpunkt des Verzichts abgezogen wird.
Beispiel:
Vater V schenkte seinem Sohn im Jahr 2011 ein vermietetes Zweifamilienhaus mit einem Grundbesitzwert von 750.000 EUR unter Nießbrauchsvorbehalt. Der Jahreswert des Nießbrauchs beträgt 20.000 EUR. Zum Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung ist V 65 Jahre alt.
Im Jahr 2013 verzichtet er unentgeltlich auf den Nießbrauch.
Zum Zeitpunkt der Ausführung dieser Zuwendung ist V 67 Jahre alt.
Der Grundbesitzwert und Jahreswert des Nießbrauchs sind unverändert und betragen 750.000 EUR bzw. 20.000 EUR.
Erwerb 2011
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Steuerwert ZFH |
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750.000 EUR |
Befreiung § 13c (10 %) |
./. |
75.000 EUR |
Gegenleistung (Nießbrauch) |
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KapW Nießbrauch (§ 14 BewG): |
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20.000 EUR × 11,251 |
./. |
225.020 EUR |
davon nicht abzugsfähig (§ 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG |
+ |
22.502 EUR |
Bereicherung |
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472.482 EUR |
Persönlicher Freibetrag |
./. |
400.000 EUR |
Steuerpflichtiger Erwerb |
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72.400 EUR |
Steuersatz 7 % |
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Steuer 2011 |
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5.068 EUR |
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Erwerb 2013
Erwerb aus Nießbrauchsverzicht |
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KapW Nießbrauch 2013 (§ 14 BewG): |
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20.000 EUR × 10,754 |
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215.080 EUR |
nicht abzugsfähiger Teil des KapW Nießbrauch 2011 (s.o.) |
./. |
22.502 EUR |
Bereicherung 2013 |
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192.578 EUR |
Vorerwerb 2011 |
+ |
472.482 EUR |
Persönlicher Freibetrag |
./. |
400.000 EUR |
Steuerpflichtiger Erwerb |
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265.000 EUR |
Steuersatz 11 % |
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Steuer auf Gesamterwerb |
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29.150 EUR |
Steuer auf Vorerwerb 2011 |
./. |
5.068 EUR |
Steuer 2013 |
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24.082 EUR |
Die o.g. Rechtsgrundsätze sind auf alle offenen Fälle anzuwenden.
Normenkette
ErbStG § 25