LfSt Bayern v. 21.12.2006, S 0338 - 4 St 41 M
Vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO im Hinblick auf anhängige Musterverfahren; Übersicht über die aktuellen und bereits erledigten Vorläufigkeitsvermerke bei der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, Arbeitnehmer-Sparzulage und den gesonderten (und ggf. einheitlichen) Feststellungen
1. Allgemeines
Das Verfahren zur Anbringung von Vorläufigkeitsvermerken ist im BMF-Schreiben vom 27.6.2005, geändert durch BMF-Schreiben vom 10.11.2006 (beide Schreiben sowie konsolidierte Fassung im AIS: AO/Vorläufigkeit) geregelt. In der täglichen Praxis werden häufig von den Steuerpflichtigen Fragen zu den derzeit bestehenden bzw. bereits erledigten Vorläufigkeitsvermerken gestellt. Aus diesem Grund erfolgt nachstehend eine Aufzählung der derzeit bestehenden bzw. erledigten Vorläufigkeitsvermerke.
2. Vorläufigkeitsvermerke gemäß dem BMF-Schreiben vom 10.11.2006 (BStBl 2006 I S. 692 ; AIS: AO/Vorläufigkeit)
Festsetzungen der Einkommensteuer sind hinsichtlich folgender Punkte gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig vorzunehmen:
- Beschränkte Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 EStG) – für Veranlagungszeiträume vor 2005
- Beschränkte Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3, 4, 4a EStG) – für Veranlagungszeiträume ab 2005
- Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG
- Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG für Veranlagungszeiträume ab 2000 (Auch Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums 1999 sind vorläufig vorzunehmen.)
- Besteuerung der Einkünfte aus Termingeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG für Veranlagungszeiträume ab 2000 (Auch Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums 1999 sind vorläufig vorzunehmen.)
- Anwendung des § 24b EStG (Entlastungsbetrag für Alleinerziehende) für Veranlagungszeiträume ab 2004
- Anwendung des § 32 Abs. 7 EStG (Haushaltsfreibetrag) für die Veranlagungszeiträume 2002 und 2003
- Höhe des Behinderten-Pauschbetrags (§ 33b Abs. 3 EStG)
- Anwendung der durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 vom 29.12.2003 (BGBl 2003 I S. 3076, BGBl 2004 I S. 69) geänderten Vorschriften
- Nichtberücksichtigung pauschaler Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben in Höhe der steuerfreien Aufwandsentschädigung nach § 12 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages
Ferner sind Festsetzungen des Solidaritätszuschlags hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 vorläufig vorzunehmen.
Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 1 umfasst auch die beschränkte Abziehbarkeit von Beiträgen zu Krankenversicherungen. Er umfasst des Weiteren die in der Verfassungsbeschwerde 2 BvR 587/01 erhobene Frage, ob es verfassungsrechtlich geboten ist, im Falle der Zusammenveranlagung die vorzunehmende Kürzung des gemeinsamen Vorwegabzugs auf den Anteil desjenigen Ehegatten zu beschränken, der im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberleistungen begünstigt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 31.5.2006, X R 9/05, BFH/NV 2006 S. 1900).
Der Vorläufigkeitsvermerk gem. Nummer 1 Buchst. b umfasst auch die Frage, ob die angeführten gesetzlichen Vorschriften aufgrund der Neuregelung der Rentenbesteuerung durch das Alterseinkünftegesetz verfassungswidrig sind.
Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 2 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume vor 2005 beizufügen. Er umfasst nicht die einfachgesetzlichen Fragen des Revisionsverfahrens X R 11/05 (möglicherweise Änderung der Rechtsprechung durch den BFH zur steuerlichen Berücksichtigung von Rentenversicherungsbeiträgen), sondern nur die Frage, ob bei Beibehaltung der bisherigen BFH-Rechtsprechung die betroffenen Vorschriften des EStG verfassungsgemäß sind.
Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß den Nummern 3 und 4 ist Einkommensteuerbescheiden nur beizufügen, wenn die Summe der im Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bzw. aus Termingeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG positiv ist.
Bescheiden über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 9i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG ist er nicht beizufügen. Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß den Nummern 3 und 4 kann auch Einkommensteuerbescheiden für den Veranlagungszeitraum 1999 sowie Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften für Veranlagungszeiträume ab 1999 beigefügt werden. Wird mit einem Einspruch die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bzw. aus Termingeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG geltend gemacht und gleichzeitig Aussetzung der Vollziehung bean...